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Die Suche nach dem Kompromiss

Für das Palais Riesch am Dresdner Neumarkt steht immer noch kein Entwurf fest. Der Wettbewerb wurde bis Ende Mai verlängert.

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© Visualisierungen: Arte4D/GHND, CG-Gruppe

Von Lars Kühl

Die Grundstückszäune in den Dresdner Villenvierteln erzählen eigentlich alles. Findet zumindest Thomas Will, Professor für Denkmalpflege an der TU Dresden. Es gibt die historischen, geschwungenen, reich verziert, mit in sich gedrehten Stäben und spitzen Zacken, daneben die einfachen, zurückgenommenen aus den 1970er-Jahren oder die funktionalen von heute. Und man sieht welche, die Elemente aus allem verbinden – als guten Kompromiss, mit dem sich sowohl Traditionalisten als auch Modernisten anfreunden können.

Genau das wünscht sich der Architekt Will für das Palais Riesch am Neumarkt. Das gehört zum Quartier Hoym, welches die CG-Gruppe aus Berlin als gesamtes Areal gekauft hat und demnächst bebauen will. Noch klafft zwischen den Brandwänden der wiederrichteten Häuser an der Landhaus- und der Rampischen Straße auf der einen sowie dem Polizeipräsidium auf der anderen Seite ein riesiges Loch.

Der Wettbewerb um die Fassadengestaltung des Palais Riesch ging am Mittwoch in eine neue Runde. Der Investor hat zehn Architekturbüros ausgewählt. Die haben nun die Gelegenheit, ihren Entwurf abzugeben. Am 26. Mai, nicht wie ursprünglich geplant Ende April, entscheidet dann eine Jury. Anfang Juni stellt die CG-Gruppe den Sieger bei einer öffentlichen Informationsveranstaltung vor.

So weit die Rahmenbedingungen, Will macht noch einmal die Schwierigkeiten des Projektes deutlich. „Wir müssen die klassizistische, barocke Fassade in die Gegenwart holen.“ Der Denkmalpfleger sagt von sich selbst, dass er nicht gerade den Ruf als Freund von Rekonstruktionen habe. Die Besonderheit, die der Neumarkt als barockes Aushängeschild für die meisten Dresdner hat, muss aber trotzdem Teil der Aufgabe für die Architekturbüros sein. Will spricht von (Form-)Sprachen der verschiedenen Epochen, ob Barock, Historismus oder moderne Architektur. Sie zu verstehen, zu übersetzen und sinnvoll zu verbinden, sei es durch Elemente, muss im konkreten Fall für das Palais Riesch gelingen. Von „äußerlichen Nachahmungsversuchen“ hält er nichts, vielmehr sollten sich die Architekten auf die Suche nach dem „modernen Kern des Barock“ begeben. Allerdings müsste etwas Neuartiges sinnvoll zum Neumarkt als Ganzem passen.

Will ärgert es, wenn der heutigen Architektenschaft vorgeworfen wird – was in Dresden oft der Fall ist – sie würde ihr Handwerk nicht verstehen. Es sei nun einmal schwierig, die Geschichte des Ortes in einem Entwurf zu würdigen und gleichzeitig etwas Eigenes einzubringen sowie schöne Stadträume zu schaffen. Anders als noch im 18. Jahrhundert, als die meisten Gebäude am Neumarkt errichtet wurden, ohne wirklich aufs Geld zu achten, müssten die Architekten heute vor allem die prekäre Wohnungsfrage lösen.

Die Vorgaben für den Riesch-Entwurf, der ausdrücklich nicht nur die Fassade, sondern auch das Haus dahinter umfasst, sind streng. Die Anzahl der Flächen für Wohnungen und Gewerbe sind festgelegt, ebenso die Raumhöhen. Ansonsten haben die Büros weitgehend Freiheit für ihre Ideen, wie auch bei der Gebäudehöhe.

Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne), selbst noch nicht lange im Amt, versucht als Neu-Dresdner zu verstehen, warum die Emotionalität unter den Bürgern im Vergleich zu anderen Städten, die im Zweiten Weltkrieg ähnlich stark zerstört wurden, so hoch ist. „Mein Gefühl ist, die Wunden, die 1945 am Neumarkt gerissen wurden, sind nie verheilt.“

Seit die historische Altstadt wieder bebaut wird, wittern viele Dresdner die Chance, etwas zurückzubekommen, was der Krieg der Stadt genommen hat. Vereine, wie die Gesellschaft Historischer Neumarkt, achten darauf, dass dies möglichst viel ist. So wird das Palais Hoym an der Landhausstraße als Leitbau originalgetreu wiederaufgebaut. Dies war ursprünglich, zumindest für die Fassade, auch für das gegenüberliegende Palais Riesch an der Rampischen Straße 16 bis 18 vorgesehen. Es gibt sogar einen Stadtratbeschluss von 2008 dazu. Allerdings wurde der nie umgesetzt. Als das Grundstück voriges Jahr vom Freistaat und der Stadt verkauft wurde, war im Vertrag davon keine Rede mehr.

Trotzdem erklärte Christoph Gröner, Namensgeber und Geschäftsführer der CG-Gruppe, dass sein Unternehmen an der historischen Fassade festhalten wolle. Gebunden war er laut Kaufvertrag daran nicht. Bei der Planung für das Palais Riesch – ins Erdgeschoss soll Einzelhandel, darüber Büros und ab der 2. Etage Mietwohnungen – stellte sich aber heraus, eine Rekonstruktion ist praktisch nicht umsetzbar. Deshalb wurden Alternativen gesucht. Der eigentliche Siegerentwurf wurde aber sofort nach Bekanntwerden sowohl von der Öffentlichkeit als auch vom Bauausschuss vehement abgelehnt. Viel zu modern, passt überhaupt nicht in das Ensemble – so lauteten die Vorwürfe. Der erneute Wettbewerb ist ein Entgegenkommen des Investors.

Ein Herauslösen des Objektes durch einen Verkauf des Palais Riesch sei nicht vorgesehen, erklärt die CG-Gruppe. Im Übrigen auch von der Stadt nicht gewünscht. Vielmehr soll das rund 10 000 Quadratmeter große Gebiet als Ganzes entwickelt werden. Das Kaufgebot des Unternehmers Michael Kimmerle, der unter anderem den Jüdenhof am Neumarkt baut, sei bis heute nicht eingegangen. Das wiederum ist kurios. Denn der SZ liegt eine E-Mail vor, abgeschickt am 9. März, um 21.55 Uhr, direkt an die CG-Gruppen-Adresse von Christoph Gröner. Aus dem Inhalt wird das Angebot von Kimmerle sehr deutlich.