Von Anja Beutler
Löbau. Die Tür zu dem kleinen Gemeindehaus in der Löbauer Elim-Gemeinde steht in dieser Woche weit offen. Der Saal ist hell erleuchtet. Über die Treppe strömen Musiker mit großen Instrumentenkoffern, Damen mit Emailletöpfen und Snacks fürs Buffet, Familien mit Kindern, Paare. Der Parkplatz gegenüber, der tagsüber meist leer steht und vielen wohl durch das große Schild mit Bibelsprüchen ins Auge fällt, ist gut gefüllt. 50 bis 70 Gäste erwartet die Elim-Gemeinde in dieser Woche jeden Abend. Die zu den Pfingstlern gehörenden Christen sind die lokalen Gastgeber der weltweiten Evangelisationsbewegung Pro Christ, die noch bis Ende der Woche läuft.
Gemeinsam mit drei weiteren freikirchlichen Gemeinden und dem Christlichen Verein junger Menschen (CVJM) begrüßen Berndt Seel von der Elim-Gemeinde und seine Mitstreiter die Gäste. „Das ist die Chance, Menschen zu erreichen, die sonst nicht zu uns kommen“, erklärt Seel. Dass die Quote der nicht christlichen Besucher durchaus noch Luft nach oben hat, daraus macht er aber auch keinen Hehl. Und er weiß, dass so mancher Neugierige vielleicht den Weg in die Gemeinde scheut, weil er zu wenig über sie weiß. Wer hier neu dazukommt, ist deshalb meist von den Mitgliedern der beteiligten Freikirchen eingeladen worden – über persönliche Kontakte läuft viel. „Gerade in Zeiten, wo die Bewahrung des christlichen Abendlandes ständig in aller Munde ist, ist das doch aber ein wichtiges Thema“, meint Seel.
Auch wenn die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens ebenfalls mit Pro Christ verbunden ist, den Ton in Löbau geben in diesem Jahr die Freikirchen an. Der Wunsch, anderen den christlichen Glauben nahezubringen, ist bei ihnen weitaus deutlicher zu spüren. Ihr Sendungsbewusstsein, ihr Missionseifer ist ausgeprägter – und bei Jugend mit einer Mission schon im Namen enthalten. Stefan Jenne, der dieser im Herrnhuter Ortsteil Ruppersdorf ansässigen Gemeinde angehört, war beispielsweise selbst lange in Nepal als Missionar. Aber auch die Adventgemeinde Löbau oder die Evangelische Freikirche Sohland setzt auf solche Aufenthalte im Ausland, die meist Hilfseinsatz und Glaubensexport in einem sind.
Die Pro-Christ-Organisatoren in Löbau
Im Gemeindesaal in der Löbauer Handwerkerstraße ist inzwischen eine familiäre Atmosphäre eingezogen. Von den braungepolsterten DDR-Stühlen sind nur noch wenige frei. Viele kenne sich, haben sich Plätze frei gehalten. Vorn, unter dem großen schlichten Holzkreuz, hat Udo Knöfel Platz genommen. Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist er der Pastor der Freien Evangelischen Gemeinde in Sohland. In Lederjacke und Jeans sitzt er auf der Sofa-Sitzkombination zum Interview über seinen Lebenswandel. Dass er als ehemaliger DDR-Berufsmusiker, der Achim Mentzel oder Hauff & Henkler begleitete, gewohnt ist, auf Bühnen zu stehen, merkt man dem schlagfertigen Mann an. Mit Witz und Charme berichtet er über seine Karriere, seine Zweifel, seinen Wendepunkt. Er spricht davon, dass Gott ihn berührt hat, erzählt von Wunderheilungen, Begegnungen mit Dämonen.
Im Saal lauschen alle gebannt. Wie weit sie ihm folgen mögen, ist nicht auszumachen. „Es müssen auch nicht alle meine Glaubensansicht teilen“, sagt Knöfel. Denn Unterschiede gibt es bei den evangelischen Christen nicht nur zwischen Landes- und Freikirchen, sondern auch untereinander. Die Adventisten beispielsweise heiligen nicht den Sonntag, sondern den Sonnabend als Sabbat, einige Gemeinden sind moderner orientiert, andere traditioneller. „Unsere Gemeinsamkeiten sind am Ende aber deutlich größer“, sagt Holger Drewanz von der Elim-Gemeinde. Udo Knöfel lächelt und nickt: „Ja, hier lernt man Toleranz. Wichtig ist mir aber jeder, mit dem ich mich am Ende wieder am Kreuz treffen kann“, beschreibt Knöfel sein Verständnis.
Nach dem Pastoren-Interview schalten die jungen Gemeindemitglieder am Technikpult die Liveübertragung aus Leipzig auf die Leinwand. Die knapp 70 Gäste sehen in Kleinkino-Atmosphäre eine christliche Show, bei der 2000 Jahre alte Fragen neu gestellt werden.