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Hier strahlt die Görlitzer Landeskronstraße

Das Eckhaus zur Bautzener Straße hat sein Türmchen zurück. Das war ein Kraftakt in Görlitz, doch er hat sich gelohnt.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Ingo Kramer

Als das Gerüst über ein Jahr am Eckhaus Landeskronstraße 1/Bautzener Straße stand, da bekam Katrin Heidrich auch manchmal Unverständnis zu hören. Von den eigenen Hausbewohnern kein bisschen, wohl aber von Fremden. Seit es weg ist, sind sich aber alle einig: Die Landeskronstraße hat mit dem Zwiebelturm auf dem Dach eine kleine Attraktion erhalten.

Früher gab es ein Türmchen. Von wann das Foto stammt, ist leider unbekannt.
Früher gab es ein Türmchen. Von wann das Foto stammt, ist leider unbekannt. © privat
Vor der Sanierung fehlte das Türmchen. Dieses Bild ist aus dem Jahr 2010.
Vor der Sanierung fehlte das Türmchen. Dieses Bild ist aus dem Jahr 2010. © privat
Seit diesem Winter ist der Dachschmuck wieder da.
Seit diesem Winter ist der Dachschmuck wieder da. © privat

Das ist keine Kleinigkeit für ein Quartier, das seit dem Fassadensturz ein paar Hundert Meter weiter in der Straße fast schon als Abrissviertel gilt. Dabei stimmt dieser Eindruck nicht. „Eine Frau von gegenüber sagt, das Türmchen wertet das ganze Viertel auf“, sagt die Mitarbeiterin der I&H Immobilien und Haustechnik GmbH, die im Parterre des Eckhauses ihren Sitz hat und das Gebäude auch verwaltet.

Die schönste Reaktion aber kam von einem älteren Mieter, der aus München zugezogen ist und ganz oben wohnt, direkt unter dem Schmuckstück: „Seit seiner Jugend war es sein Traum, in einem Haus mit Türmchen zu leben.“ Und Katrin Heidrich ist die Frau, die im Auftrag von Hausbesitzer Oliver Saul aus Hennef in Nordrhein-Westfalen dafür gesorgt hat, dass alles klappt. „Ein Kraftakt war das schon“, sagt die 39-Jährige. Unzählige Gespräche mit Denkmalschutz, Statiker, Prüfstatiker und der ausführenden Firma waren nötig, bevor das Zwiebeltürmchen am 7. Dezember tatsächlich auf das Dach gehievt und dort oben schließlich bis 11. Januar bei Dauerfrost fertiggestellt werden konnte.

Als Saul dieses und das Nachbarhaus Bautzener Straße 22 kaufte und 2011 mit der Sanierung begann, ahnte er noch nichts von dem Türmchen: Auf allen Fotos aus der Zeit nach 1945 war das Haus ohne dieses Schmuckstück zu sehen. Erst im Juni 2013 schickte der frühere Hausbesitzer Otto Lug ein historisches Foto, nämlich das unten stehende. Aus welchem Jahr es stammt, ist unklar. Das Haus selbst wurde 1895 erbaut. Ob sofort mit Türmchen, oder ob dieses erst später kam, weiß Katrin Heidrich bis heute nicht.

Aber alle – sie, der Hausbesitzer und die Denkmalschützer, waren sich schnell einig: Das Haus soll sein Türmchen zurückbekommen. Und das, obwohl es ein reines Zierelement ist und für die Vermietung keinerlei Mehrwert bringt. Selbst das Finden einer Firma, die so etwas bauen kann, war nicht einfach. „Wir haben letztlich nur zwei Angebote bekommen“, sagt Katrin Heidrich. Das Regionale bekam den Zuschlag: Die Dachdeckerei Lehnert aus Zittau: „Die war ganz unkompliziert, alles hat reibungslos geklappt.“

Saul investierte eine mittlere fünfstellige Summe. Allerdings nicht komplett aus eigener Tasche: Den Großteil übernahm die Altstadtstiftung. Es ist also Geld aus der Altstadtmillion, die immer genau für solche Dinge da war: Besonderheiten, Details, die schön sind, aber dem Besitzer nicht unbedingt bei der Vermietung helfen. In diesem Falle ist das Haus nach seiner Sanierung ohnehin voll bewohnt. „Alles super Mieter“, lobt die Verwalterin. Während der Bauzeit gab es keine Beschwerden.

Auch dann nicht, als der Bau für ein Vierteljahr ruhte, weil noch Abstimmungen nötig waren. Katrin Heidrich selbst war von Anfang an mit Herzblut dabei. Und jetzt ist sie richtig glücklich über das Ergebnis: „Wahnsinn, ich hätte nie gedacht, dass es so gut wird und auch so zur Geltung kommt.“