Von Stephan Klingbeil
Pretzschendorf. Es weihnachtet schon in Pretzschendorf. In der Backstube der dortigen Bäckerei und Konditorei Sauer beginnt in diesen Tagen die Stollenzeit. In den Öfen des traditionsreichen Familienbetriebs werden in den kommenden Wochen bis Heiligabend rund 6 500 Weihnachtsstollen und 1 500 Mohnstollen gebacken, dann gebuttert, gezuckert – und anschließend verpackt.
„Etwa 2,5 Tonnen Butter werden dafür benötigt“, erklärt Chris Sauer. Der 49-jährige Bäckermeister, seine ein Jahr jüngere Frau Kerstin und die anderen Angestellten haben bald alle Hände voll zu tun. Mit dem Weihnachtsgebäck macht der Familienbetrieb etwa die Hälfte des Gesamtumsatzes. Die derzeit 1 800 Kunden in ganz Deutschland wollen ihre Stollen von der Bäckerei aus dem Klingenberger Ortsteil rechtzeitig zur Adventszeit auf dem Tisch haben. Daher versenden die Sauers ihre Christstollen nun auch über einen Online-Shop.
Bei der Rezeptur und der Herstellung halten sich die Sauers größtenteils noch an mehr als 100 Jahre alte Vorgaben aus dem Familienbetrieb. Einiges davon werden sie an diesem Sonntag Besuchern der Backstube am Kirchweg in Pretzschendorf preisgeben. Denn die Sauers nehmen am 16. Oktober zum ersten Mal am „Tag des traditionellen Handwerks im Erzgebirge“ teil.
Der 17. Tag des traditionellen Handwerks – die Teilnehmer im ehemaligen Weißeritzkreis
Der Tourismusverband Erzgebirge veranstaltet diesen Aktionstag seit 2000 jedes Jahr am dritten Sonntag im Oktober. Auch dieses Mal öffnen wieder zahlreiche Werkstätten, Vereine und Unternehmen ihre Türen und gewähren einen Blick hinter die Kulissen. 120 Teilnehmer sind dabei, es werden 50 unterschiedliche Gewerke gezeigt. Vielerorts lädt zudem ein besonderes Rahmenprogramm mit Vorträgen, Ausstellungen und Musik zum Verweilen ein. Im ehemaligen Weißeritzkreis beteiligen sich zwölf Betriebe und Einrichtungen.
Darunter auch die Bäckerei und Konditorei Sauer. „Der Hauptgedanke ist doch, an dem Tag traditionelles Handwerk vorzustellen“, erklärt Chris Sauer. „Darüber hinaus können Kunden dann auch mal dort hinein, wo sie sonst keinen Zutritt haben.“
Außerdem gehe es darum, eine gewisse Wertschätzung auch gegenüber dem Bäckerhandwerk zu vermitteln. „In vielen Betrieben gibt es doch gar keine Bäcker mehr, da werden oft nur noch Maschinen überwacht, dass sie funktionieren“, sagt Sauer.
Der Aufwand, auf herkömmliche Weise zu arbeiten und größtenteils auf maschinelle Hilfe zu verzichten, sei groß. Vor allem dann, wenn man tatsächlich auf Handwerk setzt und trotzdem vergleichsweise große Mengen Stollen, Kuchen und andere Backwaren herstellt. „Sich dann auf dem Markt zu behaupten, ist nicht einfach. Das erfordert sehr viel persönlichen Einsatz“, sagt Kerstin Sauer. Nach Heiligabend seien eigentlich alle in der Bäckerei erschöpft.
Der Tag beginnt immer in der Nacht
„Dann brauchen wir erst mal ein paar Tage Pause“, erklärt sie. „Und sonst muss man auch aufpassen, dass man nach Feierabend nicht noch zu Hause zu oft über die Arbeit redet.“ Die gelernte Erzieherin unterstützt ihren Mann seit geraumer Zeit. Man merkt beiden aber an, dass sie ihren Beruf lieben und leben. Und dass, obwohl für sie der Arbeitstag mitten in der Nacht beginnt.
Gleiches gilt für die meisten der anderen 14 Angestellten des Familienbetriebs, der neben der Backstube in Pretzschendorf noch drei Filialen in Colmnitz, Niederbobritzsch und Ruppendorf betreibt. Auch fünf Gesellen sind für Chris Sauer tätig. „Wir sind froh, dass wir unser Stammpersonal haben“, so der Bäckermeister. „Denn man kann sich auf sie verlassen – und das müssen wir auch, gerade in der Vorweihnachtszeit arbeiten wir auf Hochdruck.“
Der Pretzschendorfer stammt aus einer Bäckerfamilie. Der aus Schlesien stammende Urgroßvater Wilhelm Sauer eröffnete seine Bäckerei 1908 in Colmnitz, dessen Söhne Otto und Arthur führten später die Geschäfte weiter – in Colmnitz und Dresden. Sie bildeten sich weiter. Es folgte der Umzug der Backstube in die frühere Pretzschendorfer Brauerei – und Volker Sauer übernahm den Betrieb. Nun ist Chris Sauer der Bäckermeister von Pretzschendorf.
Am Sonntag, zum 17. Tag des traditionellen Handwerks, haben er und seine Frau zwischen 10 und 17 Uhr einiges vor in der Backstube am Kirchweg. Neben Führungen und Verkostungen erhalten Besucher die Gelegenheit, selbst Stollen zu backen. „Den Teig müssen wir allerdings vorbereiten, da so ein Stollen etwa sechs Stunden braucht, bis er fertig ist“, erklären Sauer. „Wir planen mit 60 Stollen und bieten die Aktion mehrmals zwischen 10 und 14.30 Uhr an.“
Gäste, die am Sonntag in der Bäckerei Stollen selber backen wollen, können sich anmelden via Tel. 035058 41236.