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Die Stasi vor unserer Tür

Zweieinhalb Jahre recherchierte die SZ Riesa für ihre Serie „Die Stasi vor unserer Tür“ – und erntet dafür nicht nur Beifall.

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Von Jens Ostrowski

Dass sich die Sächsische Zeitung mit dieser Serie nicht nur Freunde macht, ist der Redaktion durchaus bewusst. Und dennoch: Gemäß des Mottos der vergangenen SZ-Kampagne „Mut tut Riesa gut“ wird es aus unserer Sicht 25 Jahre nach dem Mauerfall höchste Zeit, dass die Arbeit der Kreisdienststelle Riesa des Ministeriums für Staatssicherheit aufgearbeitet wird. Morgen startet die neue SZ-Serie „Die Stasi vor unserer Tür“ und verrät schon im Titel, dass es hier erstmals um das lokale Wirken des Geheimdienstes geht.

Während der Recherchen wurde uns so manches Mal vorgeworfen, alte Wunden wieder aufzureißen. Dabei sind die Wunden bei vielen Menschen, die durch die Stasi verfolgt wurden, niemals wirklich vernarbt. Betroffene sind bis heute nicht zur Ruhe gekommen, leiden häufig an psychosomatischen Störungen. Nicht selten brachen unsere Gesprächspartner in Weinkrämpfe aus, als sie uns ihre Geschichte erzählten. In Riesa wurden Tausende bespitzelt, isoliert, psychisch und teilweise sogar körperlich gefoltert. Und sie haben das Gefühl, dass das ihnen widerfahrene Unrecht nie anerkannt wurde. Die Aufarbeitung der lokalen Stasi-Geschichte hilft ihnen dabei, weil sie sich zum ersten Mal ernst genommen fühlen. Rund 30 Teile umfasst die Serie, die sowohl die Strukturen des Riesaer MfS als auch ganze operative Vorgänge offenlegt. Dass sich ein 28-jähriger Riesaer in den 70er Jahren aus Protest selbst verbrannte; dass hier der erste Massenprotest der DDR-Geschichte ausgebrochen und anschließend brutal niedergeschlagen wurde; dass die Štasi in der DDR akkreditierte Westjournalisten auch in Riesa bei ihrer Arbeit behinderte, sind Fakten, die zur Stadtgeschichte gehören, aber nie öffentlich geworden sind. Auch heute ist die Redaktion bei ihren Recherchen noch auf eine Mauer des Schweigens gestoßen. Nicht nur bei Tätern. Auch Betroffene haben heute noch Hemmungen, über ihre Stasi-Begegnungen zu berichten. Manche aus Angst, andere aus Scham. Kein Wunder. Nirgends ist die Aufarbeitung schmerzlicher als auf lokaler Ebene, wo sich die Menschen kennen, wo sich Täter und Opfer immer wieder begegnen, sagt Roland Jahn, selbst Betroffener und heute Chef der Stasi-Unterlagenbehörde. Das ist auch uns bewusst. Und deshalb haben wir uns entschieden, IMs, die häufig selbst Opfer der Staatssicherheit waren, nicht flächendeckend zu enttarnen. Die Namen der offiziellen und inoffiziellen Schlüsselfiguren allerdings werden wir nennen. Das gehört zur Aufarbeitung dazu.

Alle Teile dieser Serie finden Sie unter: www.szlink.de/stasi