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Die Sparmaschine

Eine neue CNC-Drehmaschine sorgt dafür, dass die Coswiger Walzengießerei weniger Geld für Transporte zahlen muss.

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© Norbert Millauer

Von Wolf Dieter Liebschner

Coswig. Noch steht der Koloss still. Er wird von Fachleuten eingerichtet und auf seine künftigen Aufgaben vorbereitet. Rund drei Millionen Euro hat die Walzengießerei Coswig GmbH in die neue CNC-Drehmaschine investiert. Damit reagiert das Unternehmen auf die steigende Nachfrage nach einbaufertigen Rotorhohlwellen und fertigkalibrierten Walzen.

Mit der neuen Anlage vergrößert die Gießerei ihre Kapazitäten und baut zudem ihre Fertigungstiefe aus. Geschäftsführer Wilfried Pfaffe freut sich auf den Einsatz der Anlage. „Mit der Investition erhöhen wir die Wertschöpfung in unserem Haus. „Bislang mussten wir unsere Gusserzeugnisse in größeren Stückzahlen zur Endbearbeitung an verschiedene Dienstleister geben. Diese Kooperationsleistungen können wir nun erheblich reduzieren.“

Je nach Kundenwunsch liefert die Gießerei vom Rohteil bis hin zur einbaufertigen Walze mit einem Gewicht von über 50 Tonnen. Die neue CNC-Drehmaschine bearbeitet Rotorhohlwellen und Walzen aus Eisen- und Stahlguss mit einem Durchmesser von bis zu 2 000 Millimetern, einer maximalen Länge von 7 000 Millimetern und einer Rundlaufgenauigkeit von 0,02 Millimetern.

Mit der Anschaffung der fünften Drehmaschine dieser Art verkürzt die Walzengießerei zum einen die Durchlaufzeiten. Zum anderen ist sie nun in der Lage, Lieferungen noch flexibler zu gestalten und tagesgenau zu terminieren.

Das Einsparpotenzial dieser Investition ist beachtlich. Pfaffe rechnet vor: „Derzeit liefern wir im Schnitt täglich eine Rotorhohlwelle aus. Wenn die bereits einbaufertig ist, passen zwei davon auf ein Fahrzeug. Wird sie zur Endbearbeitung abgegeben, kann das Fahrzeug nur eine Rotorhohlwelle transportieren. Die Endbearbeitung erfolgt bisher in Norddeutschland und Dänemark, das sind pro Fahrt im Schnitt 600 Kilometer. Wenn wir also bei rund 250 jährlichen Arbeitstagen den Transport um die Hälfte reduzieren können, sparen wir immerhin Fahrtkosten für 75 000 Kilometer ein. Das senkt nicht nur unsere Kosten, das kommt auch der Umwelt zugute.“

Und das wird umso wichtiger, da die Walzengießerei ab dem kommenden Jahr den durchschnittlichen täglichen Ausstoß deutlich erhöhen will. Auch dies ist ein Resultat der größeren Fertigungstiefe. An einer einbaufertigen Rotorhohlwelle wird in der Walzengießerei etwa zwölf Wochen gearbeitet. Muss das Teil zur Endfertigung an ein Partnerunternehmen gegeben werden, verlängert sich diese Zeit erheblich.

Pfaffe nennt noch eine zusätzliche Einsparmöglichkeit: Denn dem, der die Endbearbeitung durchführt, gehören auch die Abfälle, also die Metallreste, die nach der Zerspanung übrigbleiben. „Wenn wir das selbst machen, müssen wir für die nächste Schmelze keinen Schrott zukaufen“, erklärt der Geschäftsführer.

Während sich das Geschäft mit den Windkraftanlagen – insbesondere im Off-Shore-Bereich – für die Walzengießerei sehr gut entwickelt hat, mussten im laufenden Jahr Rückschläge im Walzensegment hingenommen werden. Besonders die Überkapazitäten in China wirken sich auf den gesamten internationalen Markt aus. So leidet auch die europäische Stahlindustrie unter Absatz- und Kostenproblemen.

Auch das Russland-Geschäft ist eingebrochen. „Das sollte ein wichtiger Markt für uns werden. Jetzt bedienen wir dort gerade noch einen Kunden“, sagt der Walze-Chef. „Wir kämpfen darum, unsere Umsatzziele in diesem Jahr zu erreichen. Das wird aber schwierig.“ Pfaffe rechnet jedoch damit, dass eventuelle Umsatzrückgänge im kommenden Jahr kompensiert werden können, nicht zuletzt durch den Einsatz der neuen CNC-Drehmaschine.

Außerdem plant die Walzengießerei eine „ingenieurtechnische Offensive“, so Pfaffe. Eigenes Personal soll mit Kooperationspartnern von Hochschulen, Instituten und Ingenieurbüros an Neuentwicklungen arbeiten, die die Wertschöpfung im Unternehmen noch weiter vertiefen. „Es geht vor allem um neue, leistungsfähigere Werkstoffe“, erklärt Pfaffe. „Wir werden nur mit Qualitätsprodukten weiter erfolgreich sein, nicht über die Ausweitung der Masse. Der Markt hat Aufnahmegrenzen.“ Das Material der Zukunft soll zum Beispiel leichter sein und höhere Leistungen aufnehmen können. Neben den Walze-Spezialisten arbeiten Wissenschaftler der Bergakademie Freiberg, vom Fraunhofer-Institut Dresden und anderen Einrichtungen daran.

Als die Walzengießerei kürzlich zu einem Kundentag geladen hatte, konnten sich Gäste aus mehreren europäischen Ländern bei Praxisvorführungen von den ersten Ergebnissen überzeugen. Zu den Kunden zählen vorrangig Unternehmen der Stahlindustrie, der Windkraftbranche, des Druckmaschinenbaus und des allgemeinen Maschinenbaus aus über 20 Ländern.

Die Walzengießerei hat die Zukunft auch auf einem anderen Gebiet im Blick. „Wir orientieren uns langfristig auf den Berufsnachwuchs“, sagt Pfaffe, und bilden für den eigenen Bedarf aus.

Zu Beginn dieses Monats wurden sieben neue Lehrlinge eingestellt. Damit hat die Walzengießerei nun rund 260 Mitarbeiter plus 25 Auszubildende. Und die ersten Bewerbungsrunden für das nächste Ausbildungsjahr beginnen schon in wenigen Wochen.

Die Coswiger Walzengießerei wurde vor über 120 Jahren aus der Taufe gehoben. 1892 gründete Eduard Schürmann hier die Firma Eisenwerk Coswig. 1895 fand nach dreijähriger Bauzeit erste Schmelze für die Erzeugung von Hartguss statt, vor allem für den Eisenbahnbedarf.

Seit 1996 gehört das Unternehmen zur Dihag Holding GmbH, eine der größten unabhängigen Gießereigruppen Westeuropas mit Sitz in Essen. Unter ihrem Dach sind zehn selbstständige Gießereien zusammengefasst. Jedes Tochterunternehmen agiert eigenständig als Spezialist in seinem jeweiligen Marktsegment.