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Die Sorgen der Migrations-Betreuer

Die Beratungsstellen sind schon heute überlastet. Und das könnte sich wegen finanzieller Probleme noch verschlimmern.

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© Daniel Förster

Von Marie-Therese Greiner-Adam

Pirna/Freital. Die Betreuer von Migranten im Landkreis schlagen Alarm. Um die Integration von Flüchtlingen und anderen Einwanderern voranzutreiben, sind die Migrationsberatungsstelle für Erwachsene und der Jugendmigrationsdienst da. Doch diese sehen ihre Arbeit gefährdet. Denn im Bundeshaushalt sollen dafür nicht dieselben Mittel eingeplant werden wie 2016, obwohl der Andrang in den Beratungsstellen trotz gesunkener Flüchtlingszahlen groß sei.

Judith Bartsch von der Migrationsberatungsstelle für Erwachsene hält einen dicken Aktenordner in den Händen, der den Beratungsaufwand verdeutlichen soll. Mit einer sechsköpfigen Familie – bestehend aus vier Kindern, dem Vater und der erneut schwangeren Mutter – gibt es 32 Themengebiete, über die gesprochen werden muss.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Susann Rüthrich sagt, dass es Anträge gibt, die selbst für einen Muttersprachler schwierig zu begreifen sind – Stichwort Elterngeld. Sprachbarrieren und eine sich ständig ändernde Gesetzeslage erschweren die Arbeit der Beratungsstellen zusätzlich. Nicole Karsten vom Jugendmigrationsdienst Pirna berichtet, dass es „null Kontingent für Dolmetscher“ gibt, dass man sich „mit Händen und Füßen“ verständige und auf die Hilfe von Ehrenamtlichen auch aus der Klientel angewiesen ist. Ihr Kollege Stefan Schrammel bestätigt: „Der Andrang ist kaum zu bewältigen.“ Die Begleitung von Flüchtlingen und das Herstellen von Erstkontakten sei kaum mehr möglich.

Gabriele Hohlfeld-Pietzcker vom Jugendmigrationsdienst Freital weist darauf hin, dass besonders in der beruflichen Integration eine große Herausforderung steckt. Und noch bevor die Vermittlung in den Arbeitsmarkt gelingen kann, müssen geeignete Wohnräume für Geflüchtete gefunden werden.

In einem Konferenzraum des Jugendmigrationsdienstes Pirna trafen vor einigen Tagen die Mitarbeiter der Sozialdienste mit Politikern zusammen. Mit dabei waren neben Susann Rüthrich der Vorsitzende des SPD-Kreisverbandes Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Ralf Wätzig, und die SPD-Landtagsabgeordnete Dagmar Neukirch. An Rütrich übergaben Caritas und Diakonie – die Betreiber der Beratungsstellen – einen Forderungskatalog, der die Probleme der Wohlfahrtsverbände benennt und aufzeigt, weshalb gerade jetzt der schlechteste Zeitpunkt ist, Gelder zu streichen. Bereits im Vorfeld hatte es ein Gespräch mit dem Landtagsabgeordneten Lutz Richter (Die Linke) zur selben Thematik gegeben.

Im laufenden Jahr standen der Migrationsberatung durch einen Nachtragshaushalt acht Millionen mehr als im Vorjahr zur Verfügung. Für 2017 wird laut Haushaltsentwurf ohne die Aufstockung geplant. Dass die Beratungsstellen Alarm schlagen, ist nicht überraschend. Nicht nur die Zahl der Zuwanderer ist enorm gestiegen, sondern auch die Komplexität der Beratung. Zur Caritas-Migrationsberatung kamen 2015 insgesamt 369 Menschen, im ersten Halbjahr dieses Jahres waren es bereits 465 – bei einer Personalstelle. Das enorm erhöhte Arbeitsaufkommen bei gleicher Personalsituation gilt auch für die Einrichtungen der Jugendmigrationsdienste im Landkreis.

Die SPD-Frau Rüthrich sagt dazu nach dem Gespräch: „Es haben alle verstanden, dass es nicht um das Halten des Haushaltes geht, sondern wir brauchen mehr.“ Werden die Mittel nicht aufgestockt oder gar reduziert, würden sich nicht nur die Wartezeiten für eine Beratung, die ohnehin in den vergangenen Monaten gestiegen sind, drastisch verschlimmern.