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Die skurrile Odyssee eines Schafes

Ein verschwundener Hammel ist im Badezimmer des Asylbewerberheimes Mobendorf wieder aufgetaucht.

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© Falk Bernhardt

Von Verena Toth

Mit dem Verschwinden eines Tieres beschäftigen sich Ermittlungsbeamte der Polizei. Ein Schaf war in der vorigen Woche zu nächtlicher Stunde vom Privatgrundstück eines Cunnersdorfers abhandengekommen. Drei Tage später tauchte es im Badezimmer eines Bewohners im Asylbewerberheim in Mobendorf wieder auf. Der Schafbesitzer, Andreas Siefert, holte das verstörte und an den Beinen verletzte Tier dort wieder ab. Er versucht nun herauszufinden, warum und wie sein Hammel dorthin gekommen ist.

Die Geschichte, die der Cunnersdorfer zu berichten hat, ist Ortsgespräch: „Am späten Donnerstagabend hat eines unserer Schafe, die angepflockt im Garten stehen, plötzlich ununterbrochen geblökt. Ich habe nach dem Rechten geschaut und festgestellt, dass ein Tier fehlt. Das Halsband war geöffnet und das Schaf offensichtlich gestohlen worden“, erzählt Siefert. Seine Tochter berichtete ihm am Morgen darauf, sie habe in der Nacht einen dunklen Pkw Kombi mit geöffneter Kofferraumklappe bemerkt. „Also habe ich den Diebstahl bei der Polizei angezeigt. Da so etwas in den vergangenen Jahren schon einmal vorgekommen ist, bin ich davon ausgegangen, das Tier nicht wieder zu finden“, so Siefert. Umso überraschter war er von einem Anruf der Polizeibeamten am Samstagmorgen, die ihn baten, sein etwa einjähriges Schaf in Mobendorf abzuholen. „Es befand sich in einem winzigen, fensterlosen Badezimmer im ersten Stock des Heimes. Es hatte Wunden an den Beinen, die es sich offenbar in Panikreaktionen zugezogen hatte“, sagt der Schafbesitzer. Das Tier sei nicht gefüttert oder gepflegt worden.

„Ich habe erst nach dem Wochenende von diesen Ereignissen erfahren und den Bewohner, der das Schaf gefunden haben will und ins Heim gebracht hatte, dazu befragt“, sagte Heimleiter Dieter Weinberger.

Aus Sicht des Heimbewohners, der aus dem Irak stammt, habe sich die Geschichte jedoch anders zugetragen. Der Bewohner habe ihm erzählt, bei einem abendlichen Spaziergang hätten er und seine deutsche Freundin das Schaf auf einer Wiese gefunden. Es sei von einem Fuchs angegriffen und verletzt worden. Weil sie es dort nicht liegenlassen wollten, habe er das etwa 30 Kilogramm schwere Tier mitgenommen, im Badezimmer eines anderen Bewohners untergebracht, und am Tag darauf die Polizei informiert. Im Gespräch mit der „Freien Presse“ erklärte er, er habe das Tier mit einem Kollegen auf einer Wiese in Mobendorf gefunden. Weil er nicht gut deutsch spreche und die Nummer der Polizei nicht wusste, habe er es zu Fuß ins Wohnheim gebracht. „Ich habe dem Schaf erste Hilfe geleistet und wollte es bei meinem Freund unterbringen, so lange, bis wir die Besitzer gefunden hätten.“

Für Heimleiter Weinberger ist diese Version der Geschichte mehr als ungewöhnlich. „Wir haben den Bewohner scharf gerügt. Denn im Heim sind keine Haustiere erlaubt, und schon gar keine Nutztiere.“ Obwohl er den Mann und seine Freundin mehrfach nachdrücklich nach dem Hergang gefragt habe, hätten sie beteuert, das Tier nicht gestohlen zu haben.

Für Frank Fischer, Sprecher der Polizeidirektion Chemnitz, wirft der Fall viele weitere Fragen auf, er könne dazu aber noch keine abschließenden Aussagen treffen. „Wir ermitteln in dieser Sache, haben aber derzeit keinen Anlass, die Aussage des Bewohners des Asylbewerberheimes zu bezweifeln“, sagte er auf Nachfrage. Auch die Zeugenaussage zu dem beobachteten Pkw werde in die Ermittlungen einbezogen. Zudem kämen Diebstähle von Schafen oder anderen Haustieren immer mal wieder vor, eine Häufung oder einen Zusammenhang dieser Fälle könne er aber nicht erkennen.

Auch für Heimleiter Weinberger ist diese Angelegenheit ein Ausnahmefall. „So etwas hatten wir bislang noch nicht“, macht er deutlich. Er und sein Mitarbeiter würden immer wieder einen Blick in die Zimmer werfen, doch alle Bewohner und deren Räume ständig im Blick zu haben, sei natürlich nicht möglich. Rund 200 Menschen sind derzeit in dem Wohnheim in der Gemeinde Striegistal untergebracht. (FP)