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Die singende Königin

Friederike Wachtel aus Krögis ist die 29. Sächsische Weinkönigin. Dabei kommt sie aus einer Region, die nicht gerade für Weinanbau bekannt ist.

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© ZB

Von Jürgen Müller

Krögis. Wo man singt, da lass´dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder. Nein, singend empfängt uns Friederike Wachtel nicht in ihrem Büro des Heinrich-Schütz-Konservatoriums in Dresden. Und das, obwohl Singen ihre Leidenschaft ist. Doch alles zu seiner Zeit. Hier an ihrem Arbeitsplatz muss die Krögiserin vor allem eines: reden. Seit drei Jahren ist sie die Pressesprecherin von Dresdens größter Musikschule, an der mehr als 6 000 Menschen vom Kleinkind bis zum Greis ein Instrument erlernen oder eben singen. Friederike Wachtel haut derzeit im übertragenen Sinn auf die Pauke. Vor drei Wochen wurden sie zur 29. Sächsischen Weinkönigin gekürt, setzte sich gegen drei weitere Mitbewerberinnen durch.

Friederike Wachtel an ihrem Arbeitsplatz im Heinrich-Schütz-Konservatorium in Dresden. Hier arbeitet sie als Pressesprecherin.
Friederike Wachtel an ihrem Arbeitsplatz im Heinrich-Schütz-Konservatorium in Dresden. Hier arbeitet sie als Pressesprecherin. © Jürgen Müller

Wie kommt die 27-Jährige, die aus einer Gegend stammt, welche nun nicht gerade als klassisches Weinanbaugebiet gilt, überhaupt dazu, sich als Weinkönigin zu bewerben? Eine, deren Eltern in Krögis einen Schmiedebetrieb in dritter Generation führen und deren Vater doch wohl eher ein kühles Blondes mag? Letzteres rückt die gar nicht Kühle und gleich gar nicht Blonde sofort zurecht: „Das mit dem Bier stimmt so nicht. Bei uns zu Hause wurde und wird gern sächsischer Wein getrunken“, sagt sie und lacht. Doch deshalb wird man ja nicht gleich Weinkönigin. „Ach, das war eher ein Zufall“, sagt die junge Frau und erzählt von einem launigen Abend im Rahmen eines Auftritts im Meißner Weingut von Ricco Hänsch. „Es war ein schöner Abend, herrliches Wetter, es gab guten Wein, lockere Gespräche und nette Leute. Dann sah ich die Werbung mit der Weinköniginnenwahl“, erzählt sie. Und kommt mit dem Winzer ins Gespräch. Ob denn das nichts für sie wäre, fragt er. „Ich habe lange darüber nachgedacht, mich gefragt, ob es nicht anmaßend ist, wenn sich eine für dieses Ehrenamt bewirbt, die weder aus einer Winzerfamilie stammt noch selbst Winzerin ist“, sagt sie. Und entscheidet sich dann doch dafür. „Kultur und Wein liegen mir am Herzen. Hier hatte ich die Möglichkeit, beides zu verbinden.“ Obwohl vor allem ihre Mutter anfangs skeptisch war. Sie hatte wohl Bedenken, dass sie das alles, Beruf, Familie und Ehrenamt, unter einen Hut bringt.

Singen und Malen

Sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren, das ist sie ja mit den Gesangsauftritten im Ensemble gewöhnt. Dennoch ist es etwas Anderes, Sächsische Weinkönigin zu sein. „Ich hatte vor der Wahl und habe auch bei jedem Auftritt Lampenfieber. Aber das gehört dazu, zeugt es doch auch von Respekt vor den Leuten und der Sache“, sagt die sympathische junge Frau. „Mein Hauptziel ist es, den Winzern und der Weinregion Gutes zu tun“, so Friederike Wachtel. Immerhin ist sie für ein Jahr das Aushängeschild für 2 368 Winzer aus ganz Sachsen. Kommunikationsstark ist sie, nicht nur weil sie an der Staatlichen Studienakademie Riesa studierte, als Diplom-Betriebswirtin und Eventmanagerin abschloss. Praxispartner war übrigens die Elbland Philharmonie Sachsen. Dort konnte sie ihr Gesangstalent richtig zur Geltung bringen. Nicht das einzige Talent der 27-Jährigen, die zu Hause das „Nesthäkchen“ ist. Ihr Bruder ist 30 Jahre und wie der Vater Metallbaumeister, die Schwester ist 35 Jahre und arbeitet als Pfarrerin. Sie war es auch, die Friederike einst als erste Ölfarben schenkte. Denn die Malerei ist ein weiteres Talent der Krögiserin, die seit einiger Zeit in Dresden wohnt und arbeitet.

Friederike Wachtel ist nicht nur sehr bodenständig, sondern auch ehrgeizig und zielstrebig. Ihre Heimat zu verlassen, kam ihr nie in den Sinn. „Manchmal habe ich zwar daran gedacht, ins Ausland zu gehen, doch dann wollte ich lieber mein Studium zügig beenden, ins Berufsleben einsteigen“, sagt sie. Zwei Wochen hat sie mal ein Praktikum in London gemacht, das war´s dann aber auch. Große Achtung und Respekt hat sie vor dem Handwerk. Kein Wunder, wenn die Eltern einen Schmiedebetrieb führen. Sie ist stolz auf den Betrieb, den es seit 1881 gibt. Schon ihr Großvater war Schmied, der andere Fleischer. Bis 2007 hatte er ein Geschäft in Krögis. „Auch Weinanbau ist ja Handwerk. Es ist anerkennenswert, was die Winzer leisten, die das ja fast immer im Nebenberuf machen“, sagt sie, die in Krögis die Grundschule besuchte und später am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Nossen ihr Abitur machte.

Die Chance ihres Lebens

Nach einigen Wochen ist es für sie immer noch ungewohnt, als Hoheit angesprochen zu werden. Beim ersten Auftritt beim „Grünen Abend“ im Ballhaus Watzke in Dresden war das für Friederike I. schon komisch. Sächsische Weinkönigin kann jede nur einmal werden. „Es war die Chance meines Lebens, die habe ich ergriffen“, sagt sie. Und dafür viel gebüffelt. Doch nicht nur das. Sie nahm an Weinfahrten teil, ging zu Rhetorik- und Sensorikschulungen. Gern Wein zu trinken reicht eben nicht als Qualifikation zur Weinkönigin. „Ich habe mich vorbereitet wie auf eine Prüfung, schließlich wollte ich weder mich noch das Anbaugebiet blamieren“, sagt sie. Und hat die Prüfung für „Sachsens schönstes Ehrenamt“ bestanden. Es wird noch weitere geben im Laufe ihrer einjährigen Amtszeit. Lebensgefährte Carsten Krätzschmar unterstützt seine Königin dabei nach Kräften. Er dreht übrigens Werbefilme für renommierte Unternehmen. Auch über sie. Friederike Wachtel überlegt kurz? „Warum nicht?“

Die Weinkönigin nimmt ihr Ehrenamt ernst, sich selbst aber nicht so wichtig. „Mein Ziel ist es, Kultur und Wein stärker zu vernetzen, sächsischen Wein noch besser zu platzieren“, sagt sie.

Das Amt wird sie in den nächsten Monaten viel Freizeit kosten. Die opfert sie gern, auch wenn andere Sachen zurückstehen müssen. Besuche bei den Eltern in Krögis beispielsweise. Am Wochenende ist sie aber zur Taufe ihres Neffen wieder mal zu Hause. Auch andere Sachen müssen warten. Beispielsweise eine, für die sich fast ein bisschen schämt. „Das klingt jetzt stockkonservativ, aber ich stricke gern“, sagt sie. Sie ist eben sehr bodenständig. Und heimatverbunden. Die Umstellung vom Dorf zum Großstadtleben fiel ihr dennoch nicht schwer. „Einfach mal abends ins Theater zu gehen, das ist eben auf dem Dorf schwierig“, sagt sie. Dennoch kommt sie immer wieder gern nach Krögis. „Das ist meine Heimat.“