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Die Sensation des vierten Advent

Der Sarrasani-Zirkusbau war in seiner Zeit ohne Beispiel. Vor 115 Jahren wurde das Haus eröffnet.

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© Sammlung Naumann

Von Ralf Hübner

Der König ist gekommen, Friedrich August III., und mit ihm Angehörige des sächsischen Hofes, Prominente, Vertreter der Stadt. Zirkusdirektor Hans Stosch-Sarrasani ist am Ziel. Der Traum von einem festen Haus als Stammsitz für seinen Zirkus ist Wirklichkeit. Der erste feste Zirkusbau Europas steht am Carolaplatz in Dresen. Vor 115 Jahren ist er am 22. Dezember 1912 mit einer Wohltätigkeitsveranstaltung festlich eröffnet worden. „Die Eröffnung des Zirkus Sarrasani war die Sensation dieses vierten Advents für die hiesigen Gesellschaftskreise“, schrieb die Presse.

Die Manege konnte abgesenkt und mit Wasser gefüllt werden.
Die Manege konnte abgesenkt und mit Wasser gefüllt werden. © Sammlung Naumann

Da ist es gerade mal gut zehn Jahre her, als im März 1902 in Meißen der „Circus Sarrasani“ als der „modernste Circus der Jetztzeit“ Weltpremiere feiert. Der Gründer des Unternehmens ist ein Clown – Giovanni Sarrasani, mit bürgerlichem Namen Hans Erdmann Franz Stosch – und er präsentierte sein gerade erst aus der Taufe gehobenes Unternehmen selbstbewusst als größten deutschen Zeltzirkus mit 3 600 Sitzplätzen, einem vorzüglichen Buffet und elektrischer Beleuchtung.

Stosch hatte sich 1901 im benachbarten Radebeul in der Gartenstraße häuslich niedergelassen. Obwohl selbst Künstler führte er seinen Zirkus im Stile eines Unternehmensmanagers. Das war damals in der Branche eher unüblich und dieses Unternehmen sollte einen festen Sitz haben. Dort sollte vor allem im Winter gespielt werden, wenn der Zirkus nicht auf Wanderschaft war. Die Vermietung sollte weitere Einnahmen erwirtschaften.

Mit dem Projekt war Stosch zunächst keineswegs auf Dresden festgelegt. Erst nachdem sich Pläne in Städten wie Berlin und München zerschlagen hatten, kam die sächsische Hauptstadt zum Zuge. Am 27. Mai 1910 erwarb er für etwa 450 560 Mark den mehr als 5 600 Quadratmeter großen Baugrund von der Stadt. Der Platz war ihm geläufig. Bei Dresden-Gastspielen hatte er auch dort schon die Zelte aufgeschlagen. In dem Vertrag verpflichtete er sich, an der Stelle jetzt einen stationären Zirkus zu errichten.

Im Mai 1911 gingen die Bauarbeiten los. Der aus Chemnitz stammendem und als Theaterspezialist bekannte Münchner Architekt Max Littmann hatte das Gebäude entworfen. An dem Bau waren mehr als 20 Firmen beteiligt. Das 1912 eröffnete „Circus-Theater der 5 000“ galt als ein Haus der Superlative und für lange Zeit als eines der größten, schönsten, modernsten und brandschutztechnisch sichersten Bauten seiner Art. Die genaue Kapazität des Zuschauerraumes ist nicht eindeutig geklärt. Unterlagen der Baupolizei gehen von 3 860 Plätzen aus. Möglicherweise war die Zahl 5 000 nur eine Wunschzahl des Zirkusdirektors, wird spekuliert. Zum Vergleich: Im Festsaal des Kulturpalastes hatten vor dem Umbau fast 2 500 Zuschauer Platz, jetzt sind es noch 1 800.

Der Kuppelraum hatte einen Durchmesser von 46,50 Metern und eine lichte Höhe von fast 29 Metern. Die Manege konnte versenkt und mit Wasser gefüllt werden. Es gab eine Bühne mit Orchesterwanne sowie neben den Garderoben, Ställen, Lagerräumen, Archiv, Dienst- und Wohnräumen auch drei Etagenbuffets, ein Speiserestaurant mit Künstlerklause, die Tunnelschänke sowie das Varieté-Theater Trocadero. Die Akustik hingegen war weniger gelungen und Schauspielaufführungen damit so gut wie unmöglich. Später wurde versucht, diese mit technischen Mitteln zu verbessern. In den Kellerräumen gab es Stallungen für mehr als einhundert Tiere. Eine der Attraktionen waren die Elefanten, die Hans Stosch-Sarrasani gern im Gewand eines indischen Maharadschas vorführte.

Waren die Artisten während des Sommers auf Gastspielreisen, wurde das Haus zu einer Art Stadthalle, das unter anderem für Varieté, Konzerte, politische Kundgebungen sowie Sportveranstaltungen genutzt wurde. Der Zirkusbau diente als Kulisse für die Filmstreifen „Artisten“, „Menschen, Tiere, Sensationen“ oder die „Große Nummer“.

Als während des Krieges alle Theater schließen mussten, war Sarrasani die Ausnahme und durfte weiter spielen. Auch am Abend des 13. Februar 1945, dem Tag der Zerstörung Dresdens, lief eine Vorstellung. Gegen 21.45 Uhr unterbrach Clown August das Programm wegen Luftalarms. Zögernd erhoben sich die Menschen und verließen das Haus. Noch während sie auf dem Heimweg waren, fielen die ersten Bomben.

Bei dem Angriff wurde auch der Zirkus schwer getroffen. Das Gebäude brannte aus, die Kuppel stürzte in die Manege. Als nach dem Krieg noch intakte Stahlträger für den Wiederaufbau des Schauspielhauses abmontiert wurden, war das Ende absehbar. An dem Ort stehen jetzt Wohnhäuser. Es sind der Name der Straße, ein Brunnen und eine Gedenktafel, die noch an den einstigen Rundbau des Zirkus Sarrasani erinnern. Mehr ist nicht geblieben.