Merken

Die schwarze Szene sieht Rot

Rund 50 000 Fans sind gut gelaunt zum Depeche-Mode-Konzert gezogen. Ihre Sicherheit stand im Ostragehege an erster Stelle.

Teilen
Folgen
© R. Meinig

Von Nadja Laske

Mit langen Schritten und langem Gesicht stiefelt Sven die Pieschener Allee entlang. Dort ist er noch recht einsam, am Mittwochnachmittag gegen vier. Den Weg vom Parkplatz ganz am Anfang der Straße ist er vor einer halben Stunde schon einmal gegangen, zusammen mit seiner Frau. Die wartet jetzt am Eingang zum Konzertgelände, und Sven versucht, sich die Laune nicht vermiesen zu lassen. „Ich muss die Schuhe wechseln“, sagt der Zittauer und zeigt auf seine Füße. Die stecken in schienbeinhohen schwarzen Stiefeln, gespickt mit Dornen aus Metall.

Das Tochter-Mutter-Duo Jennifer und Antje Neika (kl. Foto links) hat Depeche Mode schon unzählige Male gesehen. Die britische Synthie-Rock-Band trat in der Rinne Dresden auf.
Das Tochter-Mutter-Duo Jennifer und Antje Neika (kl. Foto links) hat Depeche Mode schon unzählige Male gesehen. Die britische Synthie-Rock-Band trat in der Rinne Dresden auf. © R. Meinig

„Das ist ein Outfit“, hat Carrie Bradshaw in der Serie „Sex and the City“ entrüstet ausgerufen, als sie vor der Wohnung einer Freundin ihre High Heels ausziehen musste. Sicherheitsgründe dürften dabei keine Rolle gespielt haben. Bei Sven schon. Dass er mit einem von Kopf bis Fuß perfekten Styling glänzt, interessiert die Security-Leute am Einlass zum Depeche-Mode-Konzert in der Flutrinne absolut gar nicht.

„Wir Gothics sind vollkommen friedlich“, sagt der 36-Jährige. Aber es hilft nix – die Dornen sind länger als ein Zentimeter und damit eindeutig zu lang. Sven Wolf zieht weiter in Richtung Auto. Sein langer schwarzer Mantel weht im Wind. Wenigstens hat er so die Möglichkeit, sich vorm Rückspiegel noch einmal die Lippen schwarz nachzuziehen.

Schwarz, die Farbe der Szene, tragen sie zunächst alle: Fans, Sicherheitsleute und Servicekräfte. Zumindest, bis diejenigen, die in der Rinne oder davor einen Job zu versehen haben, ihre neongrünen Westen überziehen. Das Alarmsignal steht indes auf Rot. Auf Tiefrot. Denn die Sicherheitsvorkehrungen des Konzertveranstalters sind enorm. Viele Hundert Meter vor dem eigentlichen Einlass zum Gelände treffen die Ankommenden bereits auf eine Absperrung. Die passieren Besucher nur nach genauester Kontrolle. Das ist eine Antwort des Veranstalters auf die jüngsten Terroranschläge. Am späteren Nachmittag rollen noch weiter stadtwärts Polizeibusse an und stellen sich als Barrieren quer. Sondereinheiten rüsten sich zum Einsatz.

Antje und Jennifer haben dafür keinen Blick. Sie freuen sich wie verrückt aufs Konzert. Das Mutter-Tochter-Duo ist aus Bautzen angereist. Die Ticktes haben die beiden gewonnen. Mal wieder ein toller Anlass, gemeinsam ihre Idole zu feiern. „Ich habe Dave Gahan schon einmal angefasst“, schwärmt Antje. Der Demo-Sänger sei nach einem früheren Konzert neben ihr aus einem Van gestiegen, da habe sie ihn kurz berührt, erzählt die 46-Jährige. Jennifer kichert über ihre Mutter. So dolle Fan wie die ist die 27-Jährige nicht. Aber Spaß macht‘s auf jeden Fall.

Mit Bratwurst stärkt sich Justin auf dem Weg zum Konzert für den Abend. Es ist sein erstes richtig echtes Konzert überhaupt. Der Zwölfjährige geht mit Papa hin, die Haare cool gestylt, Sonnenbrille, schwarze Hose, DM-Rosenshirt. „Ich war schon in Leipzig beim Konzert, jetzt Dresden, wir nutzen alle Möglichkeiten in Sachsen“, sagt Justins Vater René Gast. Er ist ein Kind der 80er, wie die meisten Fans. Doch Jennifer und Justin zeigen: Neue wachsen nach.

Sven kommt die Allee zurückgestief... ach nein, er trägt jetzt schwarze Halbschuhe. Auch schick. Schnell zurück zu seiner Frau und auf zum Konzert. „Hauptsache, wir haben einen schönen Abend“, sagt er, „Ich freu mich drauf.“