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Die Schrauber aus der Röderstadt

Christoph Schmidt und Philipp Kirst können mehr als nur Reifen wechseln. Auf Wunsch bauen sie Autos komplett um.

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© Sebastian Schultz

Von Dörthe Gromes

Gröditz. Der aufgebockte, gold-orangefarbene Golf GTI hatte vor Kurzem eine unglückliche Begegnung mit einem Wildschwein. Motorhaube und Kotflügel vorn gingen kaputt. Die Gröditzer Christoph Schmidt und Philipp Kirst machen den Golf in ihrer Kfz-Werkstatt wieder flott. Bei der Gelegenheit haben sie ihm auf Wunsch des Kunden auch die ungewöhnlich schimmernde Farbfolie verpasst, die auf den ersten Blick nicht von einer Lackierung zu unterscheiden ist. „Der Trend geht gerade zur Komplettfolierung“, erzählt Christoph Schmidt. „Die Folie ist abziehbar und schützt den drunterliegenden Lack“, fährt er fort. Wesentlich billiger als eine Neulackierung sei sie aber nicht.

Autofolien werden gern genutzt, um dem Fahrzeug eine individuelle Farbe zu geben, wie sie nicht vom Hersteller angeboten wird. Individualität wird bei „CP-Performance by Pulz“, wie sich die Werkstatt nennt, großgeschrieben. „Als freie Werkstatt bieten wir das gesamte reguläre Programm an, unser Schwerpunkt liegt jedoch auf Tuning und Fahrzeugveredelung“, sagt Philipp Kirst. Im Raum Riesa seien sie mit diesem speziellen Profil seines Wissens die einzigen Anbieter.

Überraschend guter Start

Im September haben sich die beiden jungen Kfz-Meister selbstständig gemacht. Dritter Inhaber ist Andreas Pulz, der in Riesa ein BMW-Autohaus besitzt. Er betrieb schon früher an dieser Stelle eine Kfz-Werkstatt, zuletzt hatte sie jedoch nur tageweise geöffnet. „Wir wollten der Werkstatt wieder mehr Leben einhauchen“, kommentiert Pulz die Neueröffnung. Sowohl Christoph Schmidt als auch Philipp Kirst haben als Lehrlinge beim Autohaus Pulz angefangen und dort ihren Meister gemacht.

Um das tägliche Vor-Ort-Geschäft kümmern sich die beiden Neuselbstständigen in der Regel allein. Und wie viel Wochenarbeitsstunden haben sie da? „Fragen Sie lieber nicht.“ Es käme relativ häufig vor, dass Arbeitstage von 7 Uhr morgens bis 20 Uhr abends dauern würden. „Aber das ist in der Aufbauzeit normal“, meint Christoph Schmidt. Beide Kfz-Schrauber sind mit der Resonanz der ersten Wochen sehr zufrieden. „Mit einem so guten Start hatten wir nicht gerechnet“, ergänzt Kollege Philipp Kirst, der für die Arbeit momentan seine zweite Leidenschaft – das Angeln – ruhen lässt. In der Szene hat sich der neue Laden offenbar recht schnell rumgesprochen, dabei ist momentan eigentlich gar keine klassische Tuning-Saison.

„Viele Kunden fahren ihre frisierten Autos nur von April bis Oktober“, erklärt Schmidt. Für die kalte Jahreszeit hätten viele ein Zweitauto. „Daher ist im Frühjahr und Sommer Hochzeit für uns“, ergänzt er. Mit den meisten ihrer überwiegend jugendlichen Kunden scheinen die beiden Gröditzer auf einer Wellenlänge zu liegen. Privat fahren sie auch optimierte Autos, beide jeweils BMW. Auf Rennstrecken wie den Lausitzring, wo etliche Tuning-Kunden in der Freizeit ihre Runden drehen, zieht es sie jedoch nicht. „Mit 200 bis 300 Sachen über die Piste zu brettern, bedeutet einen enormen Verschleiß fürs Auto, und versichert ist man im Unfallfall auch nicht“. meint Mechaniker Kirst. „Dafür ist mir mein Wagen einfach zu schade.“

Da reizt es die beiden Autospezialisten mehr, sich den technischen Herausforderungen zu stellen, welche die Sonderwünsche ihrer Kundschaft mit sich bringen. „Das ist anspruchsvoller als die Standardarbeit an den Fahrzeugen“, sagt Christoph Schmidt. So gilt es zum Beispiel herauszufinden, welcher Hersteller welche Teile anbietet, in welchem Verhältnis Qualität und Preis stehen und wie alles zueinanderpasst. „Wir achten natürlich darauf, dass alles TÜV-gerecht ist“, so der Auto-Optimierer. Je nach Maßnahme würden die amtlichen Prüfer nach dem Umbau noch einmal das Fahrzeug begutachten.

Generell gibt es kaum etwas, was nicht gemacht werden kann, sei es nun ein leistungsfähigerer Motor, eine veränderte Karosserie oder eine hochwertigere Innenausstattung. „Ausschlaggebend ist der Wunsch nach Individualität. Das Auto soll die Persönlichkeit des Fahrers widerspiegeln“, erläutert Kirst die Beweggründe ihrer Kunden, die mitunter fünfstellige Summen in den Umbau ihrer Fahrzeuge stecken. Zunehmend seien auch Frauen darunter.

Ein absehbares Ende des Verbrennungsmotors, wie es derzeit die Grünen thematisieren, fürchten die beiden Kfz-Schrauber nicht. „Motoren werden nie aussterben“, meint Christoph Schmidt. Er selbst könne übrigens leicht allein am Geräusch unterschieden, ob es sich um einen Diesel oder einen Benziner handelt.