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Die schönste Art der Rückenschule

Bauchtanz kann Körper und Seele heilen. Bei der Show in Bad Schandau bleibt die Medizin aber im Hintergrund.

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© Norbert Millauer

Von Gunnar Klehm

Bad Schandau. Das ist das Zeichen, auf das die anderen Frauen gewartet haben. Laila Nahara stellt sich vor die Gruppe und führt ihre Handrücken über dem Kopf zusammen. Dann gibt sie den Rhythmus vor: „Kreuz, Twist, Kreuz, Twist“. Die Frauen gehen zwei Schritte zur Seite und schütteln die Hüfte, dass die Pailletten an den Kleidern klimpern. Dann folgt eine Hüftacht. Kopf und Füße bleiben in stabiler Position. Doch Becken, Rumpf und Oberkörper winden sich, als fehlten die Knochen. Teils bewundernd, teils ehrgeizig versuchen die Kursteilnehmer nachzumachen, was Laila Nahara vorführt. Das ist der Künstlername von Anke Glaser-Beisken. Sie unterrichtet zweimal die Woche Bauchtanz im Spiegelsaal der Toskana-Therme Bad Schandau. Etwa 20 Frauen aus der Umgebung nehmen an den Kursen teil. Beim Gespräch mit den Frauen stellt sich schnell heraus, dass es dabei nicht nur um Tanz und Sinnlichkeit geht, sondern auch um die Gesundheit.

Zahnarzthelferin Steffi Goll erzählt, dass sie früher unter Rückenschmerzen gelitten hatte, weil sie berufsbedingt oft gebeugt verharren muss. „Seit ich regelmäßig Bauchtanz mache, habe ich keine Probleme mehr. Das macht alles wieder grade“, sagt sie. Für Anke Glaser-Beisken kommt das nicht überraschend. Sie selbst machte ähnliche Erfahrungen. „Bevor ich den Bauchtanz für mich entdeckt habe, hatte ich mal einen Bandscheibenvorfall. Danach kam nie wieder was“, sagt sie.

Die frühere Musikschullehrerin kam über ihr Interesse für Ägyptologie zum Bauchtanz. Schnell wurde ihr klar, dass das mehr ist als nur eine Art des Tanzes. „Bei der Hüftacht werden viel mehr Muskeln trainiert, als ich das im Fitnessstudio mit einer Übung könnte“, sagt sie. Außerdem mache ihr das Tanzen mehr Spaß.

Bauchtanz ist für viele Menschen Körperkunst mit großem Hang zur Erotik. Doch Anke Glaser-Beisken will, so oft es geht, auch auf die medizinischen Aspekte aufmerksam machen. In Dresden betreibt sie nicht nur eine Tanz- und Bewegungsschule, sondern arbeitet auch mit der Endometriose-Vereinigung zusammen.

Hilfe für Kinderwunschpatienten

Bei der Endometriose handelt es sich um meist schmerzhafte Wucherungen von Gewebe der Gebärmutterschleimhaut. Es kann zu entzündlichen Reaktionen kommen. Narben und Verwachsungen können die Folge sein. Manche Frauenärzte empfehlen Patienten, es mal mit einem Kurs bei Laila Nahara zu versuchen, den sie an der Uni-Klinik in Dresden anbietet. Eine Krankenkasse übernimmt sogar einen Teil der Kursgebühren. „Ich hatte auch schon viele Kinderwunschpatientinnen“, sagt Anke Glaser-Beisken. Mehr als zwei Drittel von ihnen seien jetzt Mutter. Außerdem will sie mit einer – meist von älteren Frauen verbreiteten – Fehleinschätzung aufräumen, Regelschmerzen seien normal. „Das ist nicht normal“, sagt die engagierte Frau. Dass man etwas dagegen tun könne, zeigten ihr die vielen positiven Reaktionen, die sie von Kursteilnehmerinnen bekomme.

Wissenschaftlich nachgewiesen ist die Wirkung von Bauchtanz nicht. Ob daran geforscht wird, ist der Tanzlehrerin nicht bekannt. Unstrittig ist allerdings, dass beim Bauchtanz die Durchblutung gefördert wird, insbesondere im Unterbauch. Nicht nur Frauenärzte und Orthopäden sollten den Bauchtanz empfehlen, sondern auch Psychologen, weil der Tanz Energien auslöse, sagt Glaser-Beisken. Sie erlebt immer wieder, dass sich Frauen nach ein paar Wochen aufrichten, wieder Schmuck anlegen und sich sichtbar wohler fühlen.

Das hat Yvonne selbst erlebt. Auch bei ihr wurde Endometriose diagnostiziert. Das war ein Fixpunkt eines langen Leidensweges. Ihren vollen Namen will sie aus beruflichen Gründen nicht veröffentlicht sehen. Als sie irgendwo mal hörte, dass Bauchtanz sich günstig bei ihren Beschwerden auswirken könnte, hat sie sich einer Gruppe angeschlossen. „Ich hatte gleich erklärt, dass ich das nur aus gesundheitlichen Gründen mache. Da schauten die anderen erst mal überrascht, aber jeder hat es akzeptiert“, sagt sie. Nach wenigen Wochen besserte sich ihre Situation. Heute fühlt sie sich zu 90 Prozent beschwerdefrei. Inzwischen berät sie in der Endometriose-Vereinigung andere Betroffene.

Ausgleich zur Männerdomäne

Die 30-jährige Josephine aus Dresden hatte in der Kinderwunschklinik einen Flyer von Laila Nahara gelesen und hat dann mit dem Tanzen begonnen. „Nach wenigen Wochen waren die Schmerzen weg und dann kam auch die Regelblutung wieder, die lange weg war“, sagt sie. Von ihrer Ärztin wurde sie mit Hormonen behandelt. Inzwischen ist sie schwanger. „Das ist zwar nicht nachweisbar, aber ich bin überzeugt, dass mir beides im Paket geholfen hat.“

Als Patienten fühlen sich die Frauen, die an diesem Dienstagabend in Bad Schandau trainieren, aber nicht. Wenn das Tanzen einen positiven Nebeneffekt habe, dann sei das eben die schönste Art der Rückenschule. Anke Findeisen arbeitet beim Sachsenforst in einer Männerdomäne. Sie freut sich, beim Tanz das Frauliche auszuleben. „Hier reden wir viel miteinander, es sind Freundschaften entstanden“, sagt sie.

Das Kostüm, das sie heute trägt, ist für einen Auftritt in Bad Schandau vorgesehen. Pflicht wäre das für keine der Frauen, trotzdem sind alle mit dabei. Dann üben die Frauen die nächste Choreografie und machen Wind, ganz sanft, mit einem Schleierfächer. Zauberhaft.