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Die Schlechtesten der Schlechtesten

Die Überführung der B 175 über die Bahngleise in Nossen verfällt. Geld für eine Sanierung gibt es bis 2025 voraussichtlich nicht. In Döbeln ist man da weiter.

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© Andreas Weihs

Von Marcus Herrmann und Jens Hoyer

Mittelsachsen. Schlagzeilen über baufällige Brücken auf deutschen Fernstraßen gibt es regelmäßig. Denn viele Überführungen – vor allem im Westen der Republik – sind in einem teilweise desolaten Zustand. Und obwohl die Verfallsquote in Sachsen laut aktuellem Landesverkehrsplan vergleichsweise gering ist, gibt es ausgerechnet in Nossen eine der schlechtesten Brücken im Freistaat: Die 1963 errichtete Überführung im Zuge der B 175/Döbelner Straße über die Bahngleise nahe der Freiberger Mulde.

Im Jahr 1980 ist die Brücke der B175 über die Zschopau in Töpeln gebaut worden. Wegen Baumängeln ist ihr Zustand so schlecht, dass eine Sanierung nicht lohnt.
Im Jahr 1980 ist die Brücke der B175 über die Zschopau in Töpeln gebaut worden. Wegen Baumängeln ist ihr Zustand so schlecht, dass eine Sanierung nicht lohnt. © Dietmar Thomas

Das vielbefahrene Bauwerk, das auch für Fußgänger freigegeben ist, ist in die Jahre gekommen. Die schmutzig grünen Geländer sind verrostet, teilweise porös.

Nach Recherchen des Journalisten Lars-Martin-Nagel und der Grünen-Fraktion im Bundestag konnte vor wenigen Tagen eine umfassende Analyse – unterfüttert mit Zahlen des Bundesministeriums – zum Zustand von Brücken in Deutschland vorgelegt werden. Sie wurde kürzlich in der Zeitung „Die Welt“ veröffentlicht.

Demnach gehört die Nossener Brücke im Zuge der B 175 zu den zehn schlechtesten Querungen im Freistaat. Für ihre Bausubstanz erhält sie die Note ungenügend. Einsturzgefährdet sei die Brücke allerdings nicht.

Ersatzbau billiger als Sanierun

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„Während die bekannte Pöppelmannbrücke, die die B 101 über die Mulde führt, in den 1990er Jahren saniert und nach der Flut 2013 zum Teil repariert wurde, ist die Brücke über den Bahngleisen in einem schlechten Zustand“, sagt Nossens Stadtoberhaupt Uwe Anke (parteilos). Nicht zu verwechseln ist diese übrigens mit der erst 1997 sanierten Muldenbrücke, die ebenfalls Teil der B 175 ist, aber direkt über den Fluss führt. Diese ist nach Informationen des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr (Lasuv) gut in Schuss. Anders die Stahlbrücke über den Bahngleisen: Für deren Sanierung ist nicht die Stadt Nossen, sondern das Lasuv als untergeordnete Behörde des Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zuständig.

Doch auf dessen Prioritätenliste steht die Nossener Brücke, über die Autofahrer die Autobahn-Anschlussstelle Nossen-Nord erreichen, nicht. Zumindest nicht in den nächsten Jahren.

„Uns ist bekannt, dass die Stahlbrücke starke Korrosionsschäden aufweist“, sagt Lasuv-Pressesprecherin Isabel Siebert auf Anfrage der SZ. Der Bauzustand sei sogar so schlecht, dass ein Abriss der Überführung und ein anschließender Neubau voraussichtlich günstiger wären, als das Bauwerk zu sanieren. Das sei aber aufgrund der sehr massiven Tragpfeiler der Brücke nicht unmittelbar notwendig.

„Die Sicherheit ist weiterhin absolut gewährleistet, der Verkehr muss also nicht eingeschränkt werden“, so Siebert. Wie teuer ein Abriss mit anschließendem Neubau wäre, habe man innerhalb des Landesamtes nicht durchgerechnet – weil ein Ersatzbau eben keine Priorität habe, so die Sprecherin.

Vieles, was zur Nossener Brücke gesagt wird, trifft auch auf die Brücke der B 175 in Töpeln zu. Ihr Zustand ist schlecht, die Sanierung lohnt nicht, ein Neubau ist notwendig. Hier ist man allerdings schon ein ganzes Stück weiter. Im vergangenen Jahr hatten die Unterlagen für ein Planfeststellungsverfahren für den Neubau der Brücke ausgelegen. Inzwischen ist die Landesdirektion Sachsen in der Sache schon vorangekommen. Wahrscheinlich wird bereits sehr bald ein Planfeststellungsbeschluss erteilt und damit das Baurecht hergestellt. Fünf Einwendungen habe es zu dem Vorhaben gegeben, die aber voraussichtlich regelbar seien, so Jana Klein, stellvertretende Pressesprecherin der Behörde. Sie betreffen die Breite der Brücke für landwirtschaftliche Fahrzeuge und die Belastungen während der Bauphase. Dazu fehle noch die Stellungnahme des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr als Bauherr . Auch die Untere Wasserbehörde, des Landkreises Mittelsachsen, habe das notwendige wasserrechtliche Einvernehmen noch nicht erteilt.

Die Brücke ist erst 36 Jahre alt. Schon vor zehn Jahren waren massive Betonabplatzungen an Bauteilen festgestellt worden. Eine Materialuntersuchung brachte schwere Mängel zutage. Der Beton, so die Fachleute, sei von zu geringer Festigkeit, außerdem ist die Betonüberdeckung des Baustahls zu gering, sodass es zu Korrosionsschäden gekommen ist. Das gelöste Tausalz hat zu sogenannten Chloridschäden geführt. Zudem weiß das Lasuv nicht, wie die Fundamente beschaffen sind – die Bauunterlagen für die Brücke waren beim Hochwasser 2002 zerstört worden. Für einen Ausbau mit Radweg wäre das Bauwerk zudem zu schmal.

Reparaturen nicht vorgesehen

Um Bröselbrücken vor dem Zusammenbruch zu bewahren, hat Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) das sogenannte Sonderprogramm Brückenmodernisierung aufgelegt.

Demnach stehen bis 2018 zwei Milliarden Euro zur Verfügung. Die Länder sind aufgefordert, schleunigst die entsprechenden Genehmigungen für baufällige Brücken zu erteilen. Ob etwas von diesem Geld in die Nossener Brücke fließt und es in näherer Zukunft größere Arbeiten an dem Sechziger-Jahre-Gebilde gibt, teilt das Lasuv nicht mit.

Dass es sich für die Querung lohnen würde, ist jedenfalls augenscheinlich, auch wenn die mächtigen Pfeiler noch lange standhalten dürften, die Fahrbahn nicht allzu viele Schlaglöcher aufweist. Das kann jedoch noch einige Jahre dauern. Denn im Maßnahmenkatalog des sächsischen Landesverkehrsplans bis 2025 sind mögliche Reparaturen an der Brücke nicht vorgesehen oder auch nur erwähnt.