SZ +
Merken

Die Sani-Tasche war immer dabei

Werner Kochan ist seit 60 Jahren beim DRK. Mit seinem Wissen hat er mindestens einem Menschen das Leben gerettet.

Teilen
Folgen
NEU!

Von Heike Stumpf

Sich bei Festen um diejenigen kümmern, deren Kreislauf versagt, das überlassen Werner Kochan und seine Frau inzwischen Jüngeren. Früher waren die beiden Rotkreuzhelfer häufig dabei, wenn Sanitäter benötigt wurden. Wenn sie aus dem Haus gingen, hatten sie immer eine Tasche mehr dabei als andere: „Die Sani-Tasche“, erklärt Elisabeth Kochan lächelnd. Sie ist bereits seit 62 Jahren bei der Hilfsorganisation tätig. Ihr Mann Werner Kochan ist vor ein paar Tagen vom DRK-Kreisverband Döbeln/Hainichen für 60-jährige Mitgliedschaft ausgezeichnet worden.

Wie der inzwischen 76-Jährige zum Roten Kreuz gekommen ist, daran erinnert er sich genau: Es war während seiner Bergbaulehre. Als er gefragt wurde, ob er Interesse habe, an einem Sanitäterlehrgang teilzunehmen, überlegte der Wahl-Roßweiner nicht lange, und sagte ja. Damals war Kochan noch in Blumenroda bei Borna zuhause. Sein Heimatort ist später dem Braunkohletagebau zum Opfer gefallen. In der Braunkohle hat Kochan dann nur ein paar Wochen gearbeitet. Aus persönlichen Gründen hängte der Junghauer die Bergmannskluft wieder an den Nagel und ging zur Nationalen Volksarmee (NVA). Dort half er im Krankenrevier, absolvierte später in Dresden eine Ausbildung zum Militärsanitäter.

Bei Explosion und Zugunglück dabei

Nach Roßwein kam der gelernte Bergmann Ende der 1950er-Jahre. Beim Sanitätsdienst während der Leipziger Frühjahrsmesse 1956 hatte Kochan seine spätere Frau kennengelernt. Als einen besonderen gemeinsamen Einsatz haben die beiden noch die Eröffnung des Leipziger Stadions in Erinnerung. Zum überwiegenden Teil blieben die Sani-Taschen geschlossen. Doch auch kritische Einsätze hat Werner Kochan hinter sich gebracht. Als Beispiel dafür nennt er eine Kohlenstaubexplosion in einer Brikettfabrik in Thräna. Die Bilder davon kann er ebenso wenig vergessen wie die eines Zugunglücks. Bei dem wurde sein damals bester Kumpel eingeklemmt. Sanitäter Kochan gab umstehenden Soldaten Anweisung und übernahm die Erstversorgung, bis professionelle Hilfe kam. Was aus dem Mann geworden ist, weiß der Roßweiner leider nicht. Bekannt ist ihm nur, dass der Verletzte seinen Arm verlor, aber am Leben blieb.

1958 ist Werner Kochan dann in die DRK-Gruppe des Armaturenwerkes eingetreten. Weil er den Metallstaub in dem Betrieb nicht vertragen hat, sattelte er um und wurde Polizist. Ein solcher blieb er, bis er mehr als 30 Jahre später in den 1990er-Jahren in den Ruhestand ging.

Als sich 1990 das DRK wieder einer Ortsgruppenarbeit widmen wollte, war er sozusagen bei der Gründungsveranstaltung dabei. Dann hat er auf Empfehlung von Manfred Illgen aus Hartha den DRK-Suchtdienst mit aufgebaut. Anfragen aus ganz Deutschland nach vermissten Angehörigen lagen damals vor. Das Kreisauskunftsbüro zu etablieren, war ebenfalls eine Aufgabe Kochans. In einem solchen Büro wird im Katastrophenfall registriert, wo sich welche Helfer befinden, wo wer verletzt wurde. Beim Hochwasser 2002 konnte das DRK in Döbeln in diesem Punkt nicht tätig werden – es kämpfte in den eigenen Räumen selbst gegen die Fluten.

Inzwischen hilft der Rentner hauptsächlich beim DRK-Einsatz zum Roßweiner Weihnachtsmarkt. Seine Frau, die aus Ungarn stammt, kocht dann ungarische Gulaschsuppe. Die wärmt jene DRK-Helfer durch, die die Weihnachtsmarktgäste draußen in der Kälte bewirtet haben.