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Die Ruhe vor der Fusion

Der Freistaat setzt auf Gemeindezusammenschlüsse – doch bei den Kandidaten mag man das Thema nicht gern hören.

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© Sebastian Schultz

Von Eric Weser

Landkreis. Die magische Zahl lautet 5 000. Regelmäßig bleibe ab dieser Einwohnerzahl die Leistungskraft von Kommunen erhalten, heißt es vom Freistaat Sachsen. Deswegen hat das Land auch die Zielzahl von mindestens 5 000 Einwohnern für Gemeinden im ländlichen Raum ausgegeben.

Glaubitz: Ehrenamtlich ist Lutz Thiemig (parteilos) der Chef der Gemeinde Glaubitz, gewählt für sieben weitere Jahre.
Glaubitz: Ehrenamtlich ist Lutz Thiemig (parteilos) der Chef der Gemeinde Glaubitz, gewählt für sieben weitere Jahre. © Sebastian Schultz
Röderaue: Lothar Herklotz (CDU) heißt das hauptamtliche Gemeindeoberhaupt der Röderaue voraussichtlich bis 2022.
Röderaue: Lothar Herklotz (CDU) heißt das hauptamtliche Gemeindeoberhaupt der Röderaue voraussichtlich bis 2022. © Sebastian Schultz
Wülknitz: Die Gemeinde wird ehrenamtlich von Hannes Clauß (parteilos) geführt, der 2015 für sieben Jahre im Amt bestätigt wurde.
Wülknitz: Die Gemeinde wird ehrenamtlich von Hannes Clauß (parteilos) geführt, der 2015 für sieben Jahre im Amt bestätigt wurde. © Sebastian Schultz

Der Blick auf die Bevölkerungsstatistik für die Gemeinden des Umlands zeigt: Schon heute sind viele Kommunen weit davon entfernt. Zum Beispiel die Stadt Strehla und die Gemeinden Röderaue, Wülknitz und Glaubitz. Steigende Einwohnerzahlen sind hier auch nicht zu erwarten, eher das Gegenteil. Die Signale müssten also bei Umland-Gemeinden auf „Fusion“ stehen.

Von einem Zusammenschluss will Strehlas Stadtoberhaupt Jörg Jeromin (FWG) allerdings nichts wissen. Derzeit könne man „keinen nennenswerten Mehrwert aus einer Gemeindefusion für die Stadt Strehla und ihre Bewohner erkennen.“ Je größer die Einzelkommunen, desto zentralistischer und schwerfälliger die Verwaltung. „Das erschwert eine schnelle, individuell passende Lösung der Probleme vor Ort.“ Als Negativ-Beispiel führt Jeromin das großflächige Lommatzsch mit seinen 39 Ortsteilen an, wo die Verwaltung an die Grenzen der Flexibilität stoße.

Zwei Rathäuser, identische Antwort

Auf der anderen Elbseite und etwas südöstlicher liegt Glaubitz, das zwar zuletzt einen Einwohner-Zuwachs verzeichnen konnte. Dass die Zahl aber über 5 000 klettert, daran dürften selbst große Optimisten kaum glauben. Auf das Thema Fusion angesprochen, reagiert Bürgermeister Lutz Thiemig (parteilos) ohne inhaltlichen Kommentar. Keine Äußerung dazu, wie er zu einer Fusion bis 2025 grundsätzlich steht. Oder dazu, welche Nachbargemeinde für einen Zusammenschluss infrage käme. Auch nicht dazu, ob es in letzter Zeit Gespräche mit den Nachbarn oder den eigenen Gemeindemitarbeitern dazu gab. „Alle möglichen Antworten auf alle Fragen gäben Raum für Spekulationen in jede Richtung. Das hielte ich für unfair und vor allem undemokratisch gegenüber den eventuell betroffenen Bürgerinnen und Bürgern und den eventuell betroffenen Mitarbeitern“, so Thiemig. Gesprächsbedarf bestünde, wenn, dann zuerst diesen Gruppen und nicht der Presse gegenüber. Die wortgleiche Antwort-E-Mail hatte einen Tag zuvor schon Zeithains Gemeindeoberhaupt Ralf Hänsel (parteilos) an die SZ geschickt.

Was man als Indiz werten könnte, dass man sich zwischen den Rathäusern der Gegend durchaus zum Thema Fusion bespricht. Gerade in der Region zwischen Zeithain und Gröditz, die schon seit zehn Jahren als Elbe-Röder-Dreieck eng verbunden ist. Insider geben zu verstehen, dass innerhalb des Verbundes, zu dem neben Zeithain und Glaubitz auch die Gemeinden Nünchritz, Röderaue, Wülknitz und Großenhain gehören, das Thema Fusion durchaus diskutiert wird. „Es ist ja auch logisch, dass da etwas passieren wird“, sagt ein Gemeindechef hinter vorgehaltener Hand. Ehe etwas passiert, brauche es aber eine fundierte Vorarbeit. Diese können Rathäuser und Räte wahrscheinlich nicht allein leisten, es brauche externe Berater. Etwas angelaufen sei in diese Richtung jedoch noch nicht. Klar sei aber, dass es sich um ein Thema handle, das Fingerspitzengefühl erfordert.

In den Kommunen, die heute und auch 2025 laut Prognose des Freistaats noch mehr als 5 000 Einwohner zählen, hält man sich zurück. Der Gröditzer Bürgermeister Jochen Reinicke (parteilos), dessen Kommune 2013 mit der Altgemeinde Nauwalde fusioniert war, betont lediglich, dass mögliche Zusammenschlüsse „zum Wohl der Bevölkerung ablaufen“ müssten. Nünchritz – das mit der Nachbargemeinde Glaubitz seit 1998 eine Verwaltungsgemeinschaft bildet – sieht laut Bürgermeister Gerd Barthold (CDU) wegen der ausreichend großen Einwohnerzahl „keinen Handlungsbedarf“ für Fusionen.

Vom Freistaat heißt es, dass man in Sachen Gemeindefusionen auf Freiwilligkeit setze. „Eine Sanktionsandrohung ist gegenwärtig weder vorgesehen noch wäre sie bei Beachtung dieser Maßgabe erforderlich“, heißt es vom Innenministerium. Fusionswilligen Gemeinden biete man Hilfe organisatorischer Art. Eine „Hochzeitsprämie“ in Geldform, wie es sie bis vor wenigen Jahren gab, gewährt das Land aber nicht mehr. Fusionierte Gemeinden könnten aber von höheren Schlüsselzuweisungen finanziell profitieren. Doch Geld, das machen die Äußerungen der Bürgermeister klar, ist bei dem Thema nicht alles.