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Die rollende Kommandozentrale

Die Sebnitzer Feuerwehr hat ein neues Leitfahrzeug, vollgestopft mit Technik. Zwischendrin war es beinahe abgeschrieben.

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© Dirk Zschiedrich

Von Dirk Schulze

Sebnitz. Seine erste Bewährungsprobe hat das Auto bereits hinter sich. Das Nummernschild war gerade zwei Tage dran, da wurde in einem Sebnitzer Pflegeheim Chemiealarm ausgerufen, weil reizendes Gas ausströmte. Über 60 Feuerwehrleute rückten an. Offiziell übergeben war der neue Einsatzleitwagen der Sebnitzer Feuerwehr, der ELW 1, noch nicht, doch genau für Einsätze wie diesen ist er gemacht. Aus diesem Fahrzeug heraus wurde der Großeinsatz koordiniert.

Der rotlackierte Mercedes Sprinter mit Allradantrieb ist eine Kommandozentrale auf Rädern, hochgerüstet mit moderner Kommunikationstechnik. Das Auto verfügt über einen Telefonanschluss, Internet, Fax, dazu zwei Laptops, einen großen Flachbildschirm und mehrere Funkgeräte. Die Innenwände im Fond sind komplett magnetisch und beschreibbar, um Notizen anzuheften und Pläne festzuhalten – falls die im Heck verstauten Schreibtafeln bei starkem Unwetter unter der ausgefahrenen Markise dem Sturm nicht mehr standhalten. Die gesamte Steuerung funktioniert über ein Touch-System. Ein Fingertipp genügt, und die komplette Umgebungsbeleuchtung inklusive Signal geht an – in Sekundenschnelle gibt es Licht zum Arbeiten am Einsatzort. Ein Notstromer an Bord kann das Fahrzeug autark mit Energie versorgen, ohne dass der Diesel tuckern muss.

So viel Technik hat ihren Preis: 135 000 Euro hat die Stadt Sebnitz in das Auto gesteckt, 39 000 Euro davon übernahm der Landkreis. Als größte Hürde jedoch entpuppte sich die Anschaffung. Ganze drei Jahre vergingen von der ersten Marktschau bis zu Übergabe. Kreisbrandmeister Karsten Neumann sprach von der längsten Beschaffungsgeschichte, an die er sich erinnern könne. Der frühere Sebnitzer Hauptamtsleiter Ulrich Michel, laut Neumann „eine Legende der Verwaltung“, hatte den Kauf angeschoben, war aber währenddessen in Pension gegangen. Zur feierlichen Übergabe im Sebnitzer Gerätehaus am Montagabend war er natürlich dabei.

Die Spezialfirma, die mit dem Ausbau des Rohfahrzeugs begonnen hatte, war zwischenzeitlich ins Trudeln geraten. Nichts ging mehr, sodass der Sebnitzer Stadtwehrleiter Björn Hoyer sich nach unzähligen Mails und Telefonaten schließlich nach einer Alternative umschauen musste. Die Zeit wurde langsam knapp, die bereitgestellten Gelder drohten zu verfallen. Fündig wurde er schließlich im Emsland, bei einem Fahrzeugbauer, der nicht nur Rettungswagen fertigt, sondern auch Expeditionsfahrzeuge und individuelle Nobelkarossen. Ein Feuerwehrfahrzeug wie dieses gibt es nicht von der Stange, jedes wird einzeln angefertigt, nach einem zuvor aufwendig erstellten Leistungsverzeichnis, in dem unzählige DIN-Normen zu beachten sind.

Sobald in Sebnitz und Umgebung nun mehr als zwei Feuerwehrfahrzeuge ausrücken müssen, fährt der ELW 1 voraus. Bei Katastrophen werden von ihm aus sämtliche Mittel und Kräfte koordiniert. Beim Chemiealarm im Pflegeheim zum Beispiel hat der Angriffstrupp, der in Schutzanzügen bis in den kontaminierten Raum vorgerückt ist, mit der zum Auto gehörenden Kamera Fotos des defekten Spülautomaten und der Chemikalienbehälter gemacht. Auf dem Bildschirm im Auto konnte die Einsatzleitung die Bilder kurz darauf direkt auswerten. Bei Unwetterkatastrophen lassen sich auch Karten mit allen Einsatzstellen auf dem Monitor anzeigen.