Merken

Die Reichentürmerin ist zurück

Nach der Sanierung hat Bautzens Wahrzeichen ab sofort wieder geöffnet.

Teilen
Folgen
© Steffen Unger

Von Madeleine Arndt

Endlich wieder in hoher Position. Lange musste Renate Peter auf ihren Reichenturm verzichten, weil er saniert wurde. Jetzt ist die Reichentürmerin wieder auf ihrem angestammten Domizil und lädt täglich zur Turmbesichtigung ein. Ja, sie habe ihn vermisst, sagt die Reichentürmerin, als sie endlich wieder auf der Aussichtsplattform steht. So schön sei es, bei Sonnenuntergang hier oben, wenn die Stadt zur Ruhe kommt. Überhaupt ändere sich im windreichen Bautzen durch die Wolkenfelder ständig die Aussicht. „Und wenn erst einmal die Rapsfelder blühen, blendet das Gelb richtig.“ Renate Peter schwärmt und blinzelt ein Freudentränchen weg.

Seit 27 Jahren ist die Bautzenerin die Türmerin vom Schiefen, der sich am höchsten Punkt von 56 Metern um beachtliche 1,44 Meter nach Nordosten neigt. In der Wendezeit hatte Renate Peter mit ihrem Mann den Reichenturm gepachtet, damit man ihn weiter besichtigen kann. „Wir haben es anfangs in unserer Freizeit übernommen und dann durchgehalten“, sagt Renate Peter und fügt hinzu. „Ich hatte noch keinen Tag, an dem kein Besucher kam – aber es gab schon Tage, wo nur einer kam.“ Dann sitzt die gelernte Stadtführerin in 25 Meter Höhe in ihrer Türmerstube und bereitet ihre nächsten Ausflüge vor. Und auch die Post muss ja mal gemacht werden.

Im Zuge der Sanierung erhielt die Türmerin aber eine Einbauküche – und ganz neu sogar eine Toilette unter der Türmerstube. „Bei mir war die Toilette schon immer eine Treppe tiefer. Aber jetzt sind es nicht mehr 135 Stufen“, witzelt Renate Peter. Bisher musste die Mittsechzigerin ganz hinabsteigen, um die öffentlichen Toiletten neben dem Bauwerk aufzusuchen. Überhaupt ist es erstaunlich, wie gut die Bautzenerin den engen Aufstieg mit seinen unregelmäßigen, grob behauenen Stufen meistert. „In der Europäischen Zunft der Nachtwächter und Türmer sagt man: ,Jede Stufe aufwärts gestiegen, verlängert das Leben um eine Sekunde“, so Renate Peter.

Die Stube ist wetterfest

Am meisten freut sich die Reichentürmerin über die neu eingebauten Fenster in ihrer Türmerstube. Die alten waren nicht mehr dicht gewesen, es pfiff hindurch und regnete rein. Nun ist die Stube wetterfest. „Der Wind fehlt mir richtig, es zog ja hier wie verrückt“, sagt Renate Peter verschmitzt. Für raue Lüfte braucht sie aber nur auf die Aussichtsplattform über der Türmerstube zu gehen. Dort zieht es ordentlich, wie eh und je. Bis vor zwei Jahren organisierte die Reichentürmerin mit dem Best Western-Hotel sogar romantische Dinner unter der Turmkuppel. „Es war ein dolles Training für die Mitarbeiter des Hotels. Acht- bis neunmal läuft der Kellner rauf und runter.“ Renate Peter ist sich unschlüssig, ob sie diese Tradition fortführen will. Es sei ein großer Aufwand und das Wetter müsse passen. „Und es ist nichts für leichte Kost, die weht ja weg“, scherzt sie und hat eine Anekdote parat. Einmal sei während eines Dinners ein Heißluftballon angefahren. Er schwebte dicht über den Turm hinweg. „Von oben schallte es: ,Ätsch, wir haben die bessere Aussicht’. Unsere Gäste haben hochgerufen: ,Ätsch, wir haben das bessere Essen“, erinnert sich die Türmerin und lacht.

Seit Juli 2016 war der Reichenturm geschlossen. In dieser Zeit bekamen Renate Peter und ihr Mitarbeiter Asyl beim Lauentürmer Andreas Thronicker. Bautzens Türmer halten da zusammen. So konnte Renate Peter bis Saisonende im Oktober stündlich Führungen auf den Lauenturm anbieten. Leider gab es nur wenige Besucher. „Die Zeit war hart. Aber ich hoffe, es geht jetzt wieder aufwärts“, sagt Renate Peter. Schließlich hatte sie in den Jahren davor um die 8 000 Besucher pro Saison.

Keinen Ruhetag

Neben kleineren Reparaturen ließ die Stadt seit dem vergangenen Sommer in erster Linie die Turmhaube erneuern. Auch erhielt der Reichenturm einen neuen Anstrich. Renate Peters Wunsch, gleich das Treppenhaus mit zu sanieren, erfüllte sich leider nicht. Rund 380 000 Euro hat die Sanierung insgesamt gekostet. Ein Teil wurde mit Fördergeldern finanziert, ein Teil aus Spenden. Am Gründonnerstag konnte Baubürgermeisterin Juliane Naumann der Reichentürmerin den symbolischen Schlüssel überreichen.

Für Renate Peter startet damit die Saison. Ihr Angestellter ist mittlerweile in Rente. Das heißt, die meiste Zeit bedient die Reichentürmerin in der Türmerstube das nostalgische Kassenschränkchen. „Einen Ruhetag gibt es nicht – wir haben bis zum 31. Oktober geöffnet“, betont sie.

Aufstieg Reichenturm: täglich 10 bis 17 Uhr; 2,50 Euro pro Erwachsenen, 1 Euro pro Kind