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Die Rede von OB Dirk Hilbert

Mit einem Bürgerfest unter dem Motto „Dresden zeig Dich“ will die Stadt ein Zeichen gegen Pegida und Fremdenfeindlichkeit setzen. Das ist die Rede zum Fest von Oberbürgermeister Dirk Hilbert im Wortlaut.

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© Robert Michael

Liebe Dresdnerinnen und Dresdner,

Ich freue mich sehr, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind. Ich erlaube mir, in etwas lockerem Outfit zu Ihnen zu sprechen. Für einen Abend habe ich die klinische Betreuung der Vater-Kind-Kur verlassen. Ich möchte mit Ihnen mein Dresden zeigen.

Am 3. Oktober nachmittags bin ich mit meinem Sohn zur Kur gereist und mir wollten die Bilder dieses Tages nicht aus dem Kopf gehen. Es war abscheulich, miterleben zu müssen, wie der Tag der Deutschen Einheit von einigen hundert Pöblern und Krakeelern in den Dreck getreten wurde. Dies hat mit freier Meinungsäußerung nichts mehr zu tun. Mehr noch: Diese selbsternannten Patrioten haben sich als das entpuppt, was sie in ihrer Spitze sind: Gegner unserer Demokratie, Gegner unseres Staates. Und leider erleben wir es immer wieder, dass Andersdenkende, Anderssprechende und Andersaussehende auch in unserer Stadt angepöbelt und angegriffen werden.

Noch zwei Tage vorher hat mich ein Journalist gefragt, was die größte Errungenschaft der Wiedervereinigung gewesen sei. Meine Antwort war spontan und eindeutig: Das Grundgesetz! Und ich empfehle allen einmal wieder die Lektüre der Artikel 1 bis 5 unserer Verfassung, die die Grundlage unseres gemeinsamen Vaterlandes darstellen, zu dem wir vor gut 26 Jahren beigetreten sind. Es beschränkt sich nicht nur auf das Singen der Nationalhymne und Artikel 5, Absatz 1.:

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Ich respektiere das Recht auf freie Meinungsäußerung. Ich weiß auch, dass es einige Unzufriedenheiten und Ängste bei den Dresdnerinnen und Dresdnern gibt. Daher hatte ich mich entschlossen, diesen Nöten Raum in Bürgerveranstaltungen und Bürgersprechstunden zu geben. Und Sie können mir glauben, dass ich seriöse Probleme sehr ernst nehme. Ich lasse häufig Antwortentwürfe mehrmals zur nochmaligen Überprüfung und Überarbeitung zurückgehen. Hier werde ich auch in Zukunft nicht lockerlassen und auch heute stehen einige meiner Bürgermeister und ich in mehreren Zelten Rede und Antwort. Wer reden will und seine Probleme vorbringt, wird auch geholfen, sofern es gesetzlich und von den Rahmenbedingungen möglich ist. Nutzen Sie die angebotenen Möglichkeiten.

Für mich ist Dialog sehr wichtig und dies mit allen Bürgern, egal welche Herkunft sie haben, ob Ost oder West, ob im Inland oder Ausland aufgewachsen, ob gebürtiger Dresdner oder Zugezogener. Dazu gehört für mich auch, sich mit den Kulturen hier lebender Volksgruppen zu beschäftigen. Und mit Ihnen und deutschen Mitbürgern in den Austausch zu treten. Nur so werden wir Vorurteile und gegenseitige Ängste abbauen. So auch geschehen beim islamischen Neujahr am 2. Oktober im Rathaus. Danke an alle die gekommen waren und damit den Abschluss der interkulturellen Tage miterlebt haben - ein zutiefst emotionaler Moment. Das ganze Gegenteil waren die Schreihälse vor der Tür, die zu keinem einzigen Satz des Austausches mit mir in der Lage waren. Aber auch diese Störungen werden mich nicht davon abhalten, vor allem die persönliche Begegnung zwischen den unterschiedlichsten Menschen in dieser Stadt zu fördern und zu fordern.

Liebe Dresdnerinnen und Dresdner,

es ist noch nicht so lange her, dass die ganze Republik schon recht neidisch auf unsere Stadt geschaut hat. Wir waren das Sinnbild für ‚blühende Landschaften’ oder um es anders auszudrücken, für einen gelungenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbruch. Die Gäste unserer Stadt waren beeindruckt. Beeindruckt vom Baugeschehen, von der Schönheit der Altstadt, der Lebendigkeit der Neustadt, dem Grün der Elbauen, dem Gewinn der Excellenzuniversität, Tourismusrekorde, der Schuldenfreiheit, der Geburtenhauptstadt und so weiter und so fort.

Und was ist heute?

Überall wo man hinkommt, wird man von den Dresden-Freunden gefragt: Was ist bei Euch los? Andere wiederum verurteilen Dresden und stellen eine ganze Stadt in die Nazi-Ecke.

So wenig wie das Bild der „perfekten ostdeutschen Stadt“ gestimmt hat, so wenig stimmt das Zerrbild, was heute über Dresden transportiert wird.

Doch die wichtigste Frage ist: Wie sieht die Stadt aus, in der wir leben wollen? Ist das unser Dresden auf welches wir so stolz sind? Wollen wir weiterhin unsere Stadt von Pöblern, Kleinkriminellen und Hetzern kaputt machen lassen?

Ich glaube, dass wieder die Mehrheit der Dresdnerinnen und Dresdner offen und glaubwürdig zeigen muss, wofür wir stehen. Wir müssen gemeinsam einen Weg finden, der mehr ist, als Demonstrationen und Gegendemonstrationen Woche für Woche auf der Straße. Gleichzeitig dürfen wir aber die Straße auch nicht denen überlassen, die sie für Hetze und Rassismus missbrauchen. Ich danke an dieser Stelle ausdrücklich denjenigen, die sich schon seit Monaten friedlich für ein anderes Bild unserer Stadt engagieren. Ich danke „Herz statt Hetze“ und „Dresden – Place to be“, die uns am heutigen Tag ebenfalls unterstützen.

Meine Damen und Herren,

das heutige Bürgerfest ist weder Startschuss noch Endpunkt in dem Ringen um unsere Stadt. Aber vielleicht kann es uns allen einen neuen Impuls geben, uns aufrütteln, die Dinge nicht einfach so hinzunehmen, wie sie sich jetzt Montag für Montag präsentieren.

Dresden hat es verdient! Danke