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Die rauchige Stimme ist verstummt

Deutschlands bekanntester Taxifahrer hat seinen Dienst quittiert: Der Sänger Peter Tschernig, der in Großenhain auf der SZ-Bühne stand, ist tot.

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© SZ-Archiv/Klaus-Dieter Brühl

Von Catharina Karlshaus

Großenhain. Künftig wird das Auto mit der Nummer 408 in der Garage bleiben müssen. Sein Fahrer, dessen markante Stimme das Lied darüber zur Legende werden ließ, ist bereits am vergangenen Donnerstag zu seiner letzten Reise aufgebrochen. Peter Tschernig, der zeit seines Lebens mit den Folgen einer Lungentuberkulose und einem steifen rechten Bein zu kämpfen hatte, verstarb in einem Krankenhaus.

Völlig unerwartet. Schließlich zählte der 72-Jährige doch zu jenen Menschen, die irgendwie schon immer da gewesen sind. Und das auch in ferner Zukunft weiter sein würden. Dessen selbst komponierte Lieder seit den 70er Jahren durch den Radioalltag begleiteten. Gleich nun, ob rockig, bluesig oder eben Country – in jedem seiner Titel erzählte Peter Tschernig eine kleine Geschichte. Ein Stück Alltag, wie ihn jeder Hörer schon einmal selbst erlebt, geliebt oder manchmal vielleicht auch gehasst hat. Da gibt es jenes, dass über den verzweifelten Mann berichtet, der nach der Scheidung zwar das Auto zugesprochen bekam. Den Sohn aber nur einmal im Monat sehen darf. Der Klassiker „Mein bester Kumpel ist und bleibt mein Vater“ oder „Paula“, die mit einer schweren Herzerkrankung zur Welt gekommen ist. Peter Tschernig, selbst Vater einer Tochter und eines Sohnes, bezog sich nach eigenem Bekunden beim Schreiben immer gern auf persönliche Erfahrungen.

Dass der gebürtige Chemnitzer in der DDR, aber auch nach der Wende seine ganz eigenen machen musste, verschwieg der oft auch als „Querdenker“ bekannte Moderator nicht. Er machte keinen Hehl daraus, dass er sich den Wandel nach 1989 anders gewünscht hätte. „Wenn ich von meinen Reisen zurück kam, habe ich den Leuten oft erzählt, dass im Rest der Welt auch nicht alles Gold ist, was glänzt. Dass es jede Menge Arbeitslosigkeit gibt und die Schere breiter klafft, als sich das Otto-Normalverbraucher in der DDR vorstellen konnte. Doch das wollte keiner hören“, bekannte er in einem Gespräch mit der Sächsischen Zeitung.

Ein bisschen mehr Selbstbewusstsein und Mut, nicht alles ohne Gegenwehr über Bord gehenzulassen, habe er sich gewünscht. „ Ich hätte es allen gegönnt, dass es anders läuft – sozial gerechter, ausgewogener. Denn der Begriff Freiheit ist ja immer relativ. Natürlich kann man jetzt reisen, wohin man möchte. Aber mit Hartz IV sieht das mit der Freiheit und dem Alltag überhaupt gar nicht rosig aus“, befand Peter Tschernig im Frühsommer 2011.

Ein sanfter, aber konsequenter Kritiker, der mit viel Herzblut bei MDR1 Radio Sachsen die Sendung „Lets go Country“ präsentierte. Als sich beim Heimatsender 2004 das Moderatoren-Roulette drehte, fiel auch er nach zwölf Jahren durchs Rost. Ein Rauswurf, den er nie ganz verwinden würde, der den Songschreiber aber letztlich zurück ins Tonstudio führen sollte. Sein Song „Was willst du denn da oben ohne mich?“ lief acht Wochen erfolgreich in den Hitparaden. Es ist das einfühlsame Lied, für welches Peter Tschernig auch am 8. Juli 2011 auf der Bühne des Großenhainer Schlosses tosenden Applaus erhalten wird.

Der in Lommatzsch lebende Entertainer hatte der SZ-Großenhain seine Hilfe angeboten. Die Redaktion sammelte zu diesem Zeitpunkt Spenden für die schwer kranke Victoria Lenuweit aus Strießen. Peter Tschernig reagierte sofort und spendete die gesamten Einnahmen des Abends. Regelmäßig erkundigte er sich seitdem telefonisch nach dem Mädchen. Und bei jedem seiner Anrufe ertönte genau jene rauchige warme Stimme aus dem Hörer. Genau die, die Peter Tschernig so unverwechselbar machte. Jetzt ist sie verstummt.