Merken

Die Qual der Grundschulwahl

Erstmals konnten Kamenzer Eltern ihre künftigen Abc-Schützen in der Wunschschule anmelden. Ein Report.

Teilen
Folgen
© René Plaul

Von Ina Förster

Kamenz. Die Stadt Kamenz hat die Einschulbezirke zum Schuljahr 2018/19 abgeschafft. Bisher hing das Verfahren im Wesentlichen mit der Wohnadresse zusammen. Jeder wusste im Voraus, wo sein Kind künftig lernen würde. Nur wenige strebten Veränderungen an. Mit einem entsprechenden Antrag war es möglich, dass jemand von der Pulsnitzer Straße in Wiesa eingeschult wurde. Oder umgekehrt. Manchmal wurde dies genutzt. Doch nicht oft. Nun stimmte der Stadtrat im Frühjahr für eine freie Grundschulwahl. Und damit sieht die Sachlage plötzlich anders aus. Unkomplizierter wurde es nicht.

Die Kamenzer Eltern der künftigen ABC-Schützen hatten ab Dienstagmittag erstmals die Qual der Wahl. Mussten nach gutem Wissen und Gewissen entscheiden, welche Schule am besten zu ihrem Kind passt – örtlich als auch vom Konzept her. Manch einer hätte sich im Vorgang dazu einen Tag der offenen Tür an allen Schulen gewünscht. Den gab es leider nicht. Die Stadt Kamenz ist übrigens eine der wenigen, die sich dafür entschieden hat. Hoyerswerda macht es seit Jahren vor. Hat bewiesen, dass man damit gut fährt.

Für die Premiere legte der Stadtrat einen Termin fest – den 29. August. Wer diesen verpasste, hat womöglich nur geringe Chancen, dass sein Kind ab 11. August 2018 im Wunschobjekt lernen darf. Viele fieberten dem Tag also entgegen. Immer wieder hörte man in Elternkreisen: „Sieht man sich? Wann gehst du denn hin? Auch gleich mittags? Besser ist vielleicht!“ Prognostiziert wurden kuriose Szenen – lange Schlangen von Müttern und Vätern, die Stunden vorher vor den Sekretariaten campieren. Mit Kaffee aus der Thermoskanne im Gepäck.

Lange Schlange am Forst

Kamenzer Zahlen und Fakten

Die Gesamtzahl der künftigen ABC-Schützen für 2018/2019 steht zurzeit noch nicht fest. Zunächst erfolgte die Anmeldung in den jeweiligen Grundschulen mit Erst- und Zweitwunsch. Ab Januar die ärztliche Untersuchung aller zukünftigen Schüler (Feststellung Rückstellung), erst danach können konkrete Zahlen benannt werden.

Insgesamt 150 Anmeldeformulare wurden verschickt, davon sind 15 Rücksteller aus dem Schuljahr 2017/2018.

Drei Grundschulen stehen zur Verfügung: GS Am Forst (aktuell dreizügig); GS Wiesa (aktuell einzügig) und GS Gickelsberg (aktuell 1,5-zügig).

Am 16. Mai 2018 werden die Eltern über die Entscheidung informiert, ob und in welcher Grundschule das Kind aufgenommen wird. Dieser Termin ist durch das Sächsische Staatsministerium für Kultus vorgegeben.

Wie ist der Trend in Kamenz? Die Schülerzahlen sind relativ gleichbleibend mit kleinen Änderungen – Prognose für die nächsten 6 Jahre: je 130 - 145 Kinder. Durch vermehrten Zuzug kann dies ansteigen.

1 / 5

Nun, am Kaffee und Campingstuhl fehlte es. Am regen Interesse nicht. Ob in der Grundschule am Forst, auf dem Gickelsberg oder in Wiesa – überall fanden sich weit vor 13 Uhr die ersten Eltern ein, um nichts zu verpassen. Wer gut gerüstet mit ausgefülltem Anmeldebogen und Geburtsurkunde punkten konnte, der musste nicht lange warten.

Einige Schulleiterinnen hätten gern im Vorgang etwas Schärfe aus dem angekündigten „Windhunderennen“ genommen. Denn zu dem sollte es eigentlich nicht werden. „Die Unsicherheit bei den Eltern war aber da. Früher wusste jeder, dass er mit seiner Anmeldung den Platz sicher hatte. Nur ein paar Vereinzelte, die von vornherein in eine andere Schule wollten, mussten zittern. Aber am Dienstag sind die meisten der Mamas und Papas mit einem unangenehmen Gefühl heimgegangen“, so Gabriele Keltsch, Schulleiterin der Grundschule am Forst.

Die freie Platzwahl bringt Unklarheiten mit sich. „Der endgültige Bestätigungstermin Mitte Mai ist sehr spät. Ich kann Eltern verstehen, die eher mit ihrer Planung beginnen möchten“, sagt sie. In der Ganztagsschule wurden die Anmeldungen in drei Zimmern angenommen. In Stoßzeiten gab es Warteschlangen von sogar 30 bis 40 Leuten vor den Türen. „Ein enormer Kraftakt, denn wir haben ein großes Einzugsgebiet“, so Gabriele Keltsch. Und mit manchem musste länger geredet werden, weil die Bedenken doch groß waren. Kurz vor Toresschluss hatte die Grundschule am Forst übrigens genügend Kinder für drei Klassen angemeldet.

Ruhiger Start in Wiesa

In Wiesa ging es ruhiger zu. Die Schule ist nur einzügig. Im Fall der freien Wahl macht das dennoch nichts. Der Dienstag war in vielerlei Hinsicht ein Überraschungs-Ei. Auch hier hätten sich 100 Schüler anmelden können. Ein Fall, der so allerdings wahrscheinlich nie eintreten wird. Die meisten Eltern schulen ihren Nachwuchs nach wie vor in der Nähe ihres Wohnumfeldes ein. Einigen sind die Angebote am Nachmittag zudem wichtig. „Uns fiel auf, dass die meisten perfekt vorbereitet erschienen. Das war eine positive Veränderung, von der man profitieren kann“, fand Schulleiterin Ilke Krebs. Früher gab es mehrere Anmeldetage und noch mehr Aufwand, fand sie.

Schulleiterin Katrin Schütze vom Gickelsberg arbeitete sich auch persönlich im Kreativraum durch die Formulare. Gegen 13.20 Uhr waren die ersten neun Mamas, Papas und Großeltern als Vertretung durch. Die Schlange riss nicht ab. Gespräche kamen zustande, wurden Fragen angesprochen. Katrin Schütze beruhigte: „Wir werden bei der Aufnahme immer im Sinne der Kinder entscheiden. Was ist am besten für sie? Da ist es egal, ob die Eltern 13 oder kurz vor 18 Uhr da waren.“

Kurz vor Toresschluss standen 37 künftige ABC-Schützen zu Buche. Das klingt nach Zweizügigkeit! Doch wie geht es weiter? „Im September melden die Grundschulen ihre Zahlen. Danach wird geprüft“, so Rathaussprecher Thomas Käppler. „Im Oktober, November findet eine interne Abstimmung mit den Schulleitern statt und im Februar, März wird mit der Bildungsagentur, Schulleitern und der Stadt entschieden, welches Kind an welcher Schule aufgenommen wird.“ Danach gehen die Bescheide raus. „Ich denke, hier gibt es einiges im Prozedere auszuwerten“, so Gabriele Keltsch. Das wünscht sie sich jedenfalls.