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„Die Punkte am Himmel vergesse ich nie“

Brigitta Eckhold entging den Bomben in Pirna nur knapp. Ein Volltreffer zerstörte das Haus gegenüber.

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© Katja Frohberg

Ich bin eine echte Pirn’sche, Jahrgang 1932. Wir wohnten damals in der Bergstraße 10, unterhalb vom Hausberg im ersten Stock. Hinter dem Haus war ein großer Hof. Dort hatte mein Vater eine Wendeltreppe angebaut, sodass wir unseren eigenen Eingang hatten. Am 19. April 1945 hatte ich Besuch von meiner Cousine Annelies. Außerdem war noch meine Stiefmutter zu Hause. Mein Vater war als Elektromeister dienstverpflichtet, mein Bruder war schon 1943 mit seinem U-Boot im Atlantik untergegangen. Es war mittags, Annelies und ich standen gerade auf dem Podest der Wendeltreppe. Da sahen wir die Flieger über den Kohlberg kommen. Kleine schwarze Punkte waren in der Luft. Das sind Bomben, rief meine Stiefmutter. Diesen Anblick kann ich nie vergessen. Lauter schwarze Punkte am Himmel. Wir rannten die Wendeltreppe runter und zum Hintereingang rein, um in den Keller zu kommen. Ich war die Letzte. Als ich die Kellertür erreichte, kam eine große Druckwelle von einer Explosion. Ehe ich begriff, was passierte, war ich die Treppe runter in den Keller geflogen. Zum Glück ist mir nichts weiter passiert. Als wir nach dem Angriff wieder raus kamen, sahen wir, dass die Brauerei unterhalb unseres Hauses getroffen war und brannte. Männer legten nasse Säcke auf unser Dach, damit es durch die Funken nicht Feuer fing. Auf der Straßenseite hatte unser Haus überhaupt keine Fensterscheiben mehr. Das Haus schräg gegenüber an der Schaftreppe war ein einziger Bombentrichter. Bei uns waren Möbel kaputt geschlagen und das Fensterglas lag in den Betten. Als ich meine Cousine später nach Hause in die Rosenstraße brachte, sahen wir, dass ihr Nachbarhaus getroffen war. Nur ein paar Mauern standen noch. Das Haus sah aus, als hätte es jemand mit dem Messer durchgeschnitten. Man konnte in die Wohnungen reingucken. Im Treppenhaus hing eine Frau regungslos über dem Geländer. Sie war tot. Eine Schulfreundin hat mir später erzählt, dass sie ihre beiden kleinen Jungs schon in den Keller gebracht hatte und dann, weil sie noch was vergessen hatte, wieder hinaufgegangen war. Gedacht haben wir uns bei dem Anblick nichts Besonderes. Es war eben Krieg. Was sollten wir denn tun?

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