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Die Polen-Trucker

Bei der Miltitzer Firma Missale sitzen auch Ausländer hinterm Steuer. Zum gleichen Lohn wie ihre deutschen Kollegen.

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© René Plaul

Von Manuela Reuß

Miltitz. Grzegorz und £ukasz sind keine Exoten. Höchstens für Außenstehende. In der Miltitzer Transportfirma Missale sind die beiden zwei unter vielen. Oder genauer gesagt drei unter vielen. Denn auch Bogdan gehört zur Crew. Drei polnische Trucker beschäftigt das aufstrebende mittelständische Transportunternehmen derzeit. Schon bald könnten weitere polnische oder tschechische Fahrer dazukommen. Die Miltitzer sind immer auf der Suche nach zuverlässigen Mitarbeitern. Die Nationalität ist dabei nebensächlich. „Für uns ist die Qualifikation entscheidend“, erklärt Justus Große, einer der zwei Missale-Geschäftsführer. „Wir haben auch einen Kollegen aus Kasachstan.“ Allerdings wohne der in Deutschland.

„In der Logistikbranche denken wir europäisch“, sagt Justus Große. Die Mitarbeiter würden über Grenzen hinwegfahren, warum also sollten sie nicht auch aus anderen Ländern kommen? Die einzige Bedingung, welche die Firma an ihre ausländischen Mitarbeiter stellt: Sie müssen Deutsch sprechen. „Unsere Kunden sprechen Deutsch und sie müssen sich auch mit unseren Disponenten verständigen können“, so der Missale-Geschäftsführer. Allerdings überlege man auch, wie das eigene Personal auf die neuen Herausforderungen vorbereitet werden kann.

Am Rande des finanziellen Ruins

Grzegorz ist am längsten dabei. Vor vier Jahren kletterte der Pole zum ersten Mal für die Firma Missale auf den Bock von einem der 24 dunkelblauen 40-Tonner. Kraftfahrer ist sein dritter Beruf. Nach seinem Studium an einer TU in Polen arbeitete der 48-Jährige zunächst als Berufsschullehrer. Danach war er sieben Jahre Zollbeamter an der deutschen Grenze. „Daher spricht er so gut Deutsch“, erklärt Justus Große. Doch dann wurde er an die russische Grenze versetzt. 600 Kilometer Arbeitsweg bei 500 Euro Verdienst brachten ihn an den Rand des finanziellen Ruins. Also sattelte er noch einmal um, wurde Kraftfahrer. Bevor er zu Missale kam, war der Pole für eine große holländische Spedition auf Achse. Dort habe er zwar ganz gutes Geld verdient, doch die Familie blieb auf der Strecke. Ursprünglich hatte man ihm zugesagt, dass er maximal vier Wochen auf dem Bock sitzen müsse und dann zwei Wochen frei habe. Doch die Realität sah anders aus. Acht Wochen am Stück im Truck - quer durch Europa - waren keine Seltenheit. „Das ist doch krank“, schimpft der Fahrer. Die Fahrer bleiben dabei auf der Strecke“, weiß Justus Große. Das sei kurzfristig gedacht. Bei der Firma Missale denke man langfristig. Freitagnachmittag kommen die Fahrer von ihren Touren zurück. Erst Montag müssen sie wieder auf dem Bock sitzen. Die 70 Kilometer bis ins heimatliche £êknica in der Nähe von Bad Muskau sind für Grzegorz quasi nur ein Katzensprung. Die Möglichkeit, jedes Wochenende bei der Familie zu sein, ist auch für £ukasz ganz wichtig. Gut zwei Stunden braucht er bis nach Hause.

Annehmlichkeiten erleichtern Job

Der 32-jährige Vater zweier kleiner Söhne ist froh, einen Job bei Missale gefunden zu haben. Seit drei Monaten fährt der gelernte Automechaniker für die Miltitzer. Auch er kennt Speditionen, in denen es anders zugeht. In denen polnische Fahrer diskriminiert werden. Bei seinem früheren Arbeitgeber gab es für ausländische Fahrer beispielsweise nur einen Bruchteil der sogenannten Auslöse. Geld, von dem die Fahrer sich unterwegs was zu essen kaufen sollen. „Bei uns bekommen alle Fahrer 24 Euro pro Tag“, erklärt Justus Große. Das sei der Höchstsatz. Außerdem melde man die ausländischen Mitarbeiter bei deutschen Krankenkassen an - auch wenn das immer mit sehr viel Papierkram verbunden sei - und kümmere sich darum, dass sie als Arbeitnehmer einer deutschen Firma in Deutschland auch Kindergeld für ihre Sprösslinge bekommen. Der Geschäftsführer weiß, dass es schwarze Schafe in der Branche gibt. Seit der Mindestlohn aktuell ist, würden einige Firmen keine oder weniger Auslöse zahlen. „Bei uns gibt’s da keine Diskussion.“ Überhaupt liegt den Geschäftsführern die Gesundheit ihrer Mitarbeiter am Herzen. Deshalb sind die Missale-Fahrer mit modernen Lastern auf Achse. Stand-Klimaanlagen und -Heizungen, Kühlschränke und andere Annehmlichkeiten erleichtern den Truckern den Job. Grzegorz weiß dies besonders zu schätzen. Denn vor gut drei Jahren war von heute auf morgen auf einmal alles anders. Vom Parkplatz weg kam Grzegorz ins Krankenhaus. Infizierte Wunden in den Beinen hatten schlimme Folgen.

Anderthalb Jahre war er krank. Doch die Firma stand hinter ihm. „Wir hatten immer die Hoffnung, dass Grzegorz wiederkommt.“ Und die erfüllte sich vor über einem Jahr. Andere Firmen hätten ihn längst ausrangiert, weiß der Pole. Die Miltitzer hingegen hätten ihn unterstützt, wo es nur ging. Als er aus dem Krankenhaus entlassen wurde, habe ihn Matthias Missale persönlich abgeholt. Genauso, wie er es bei einem seiner deutschen Mitarbeiter getan hätte. Wie gesagt: Exoten sind Grzegorz und £ukasz nur für Außenstehende.