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Die Perfektionisten

Ob als Vorstand des Rothenburger Martinshofes oder als Hobbymaler – Hartmut G. Knippscheer legt Wert auf Präzision. Seine Tochter ebenso.

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© André Schulze

Von Alexander Kempf

Hartmut G. Knippscheer hat sie alle überrascht. Viele haben dem ehemaligen Vorstand des Martinshofes das mit dem Altenteil nicht zugetraut. Doch der Mann, der sich selbst einen „Vollblut-Controller“ nennt, hat gut loslassen können. „Ich habe keine Entzugserscheinungen“, sagt er am Freitagnachmittag mit einem Lächeln auf den Lippen im Wichern-Hauses. Nicht die Arbeit führt ihn zurück an die alte Wirkungsstätte des Martinshofes, sondern eine Ausstellung. Seine Tochter Nicole Fischer und er zeigen im Erdgeschoss gemeinsam ihre Bilder.

Das Porträt eines Wolfes, das ihm seine Tochter im vergangenen Jahr schickte, gab den Anstoß zur Ausstellung. Das Bild ist von einem Foto auf den ersten Blick kaum zu unterscheiden. „Mir ist es wichtig, so realistisch wie möglich zu zeichnen“, sagt Nicole Fischer. Eigentlich sei sie ein eher ungeduldiger Mensch. Doch wenn sie sich in ihre Tierporträts vertieft, dann vergisst sie bei klassischer Musik alles um sich herum. Mehrere Stunden Arbeit stecken in jedem der Werke. Ob wachsamer Wolf, gähnender Fuchs oder die frech dreinschauende Ziege – Nicole Fischer malt bisher ausschließlich Tierporträts mit Pastellkreide.

Zufrieden ist sie mit ihren Bildern nur, wenn die Augen eine Seele transportieren, erklärt die Künstlerin. „Die müssen stimmen, sonst ist das alles nichts“, sagt sie selbst. Ihren Vater hat sie mit ihren realistisch gezeichneten Augen schon oft begeistert. Und sein Lob ist ihr viel Wert. „Er ist mein größter Kritiker“, sagt die Tochter. Und hofft, dass sie im Gegenzug bald auch neue Werke von ihm loben kann. Denn anders als ihre Bilder sind die Aquarelle und Kohlezeichnungen von Hartmut G. Knippscheer schon einige Jahre älter. Aus Zeitgründen hat er während seiner Arbeit als Vorstand des Martinshofes keine Zeit mehr für die Malerei und das Zeichnen gefunden.

Die Bilder im linken Flügel des Wichernhauses sind eine Rückschau auf die Lebensstationen von Hartmut G. Knippscheer. Da ist zum Beispiel das Schlosstor des Schlosses Styrum, das er als kleiner Junge als Fußballtor nutze. Der Senior ist in Mühlheim an der Ruhr aufgewachsen und hat dort auch lange gelebt. Sein Onkel hat ihn früh für das Zeichnen begeistert. Später inspirierte ihn der Maler Wilhelm Sachs. Von dem ist ihm noch der Hinweis ihm Ohr, dass man für das Malen eines Aquarells nicht länger brauchen dürfe als für ein gutes Foto. Eine Viertelstunde, zwanzig Minuten – länger sollte sich eine sichere Hand an einem kleinen Format nicht aufhalten.

Bei seinen zahlreichen Landschaftsbildern von schottischen Mooren und Fjorden ist ihm das gelungen. Hartmut G. Knippscheer liebt Land, Leute und auch den Whiskey. Doch um an die Eleganz der alten Bilder anzuknüpfen, müsste er wieder mehr Zeit investieren. Und dazu ist er trotz Altenteil bisher noch nicht gekommen. Auch weil ihn eine Krankheit ausgebremst hat. Außerdem hat er den Tennisschläger gegen den Golfschläger getauscht. Und wenn er nicht an seinem Handicap arbeitet, dann verbessert er sein Englisch. „Den ganzen Tag zu Hause sitzen“, sagt er, „das kann ich nicht.“

Trotzdem ist er zuversichtlich in Zukunft noch etwas Luft zum Malen zu finden. Denn einige Lebensstationen sind noch nicht in Bildern festgehalten. Rothenburg zum Beispiel. Den Umzug in die Oberlausitz hat der gelernte Kaufmann nie bereut. Früher, da habe er sich mal ausgemalt, den Lebensabend auf Mallorca oder an der Ostsee zu verbringen. Die Pläne hat er aber schon lange verworfen. Dank Freunden und Bekannten ist er längst fest an der Neiße verwurzelt. „Ich bin hier angekommen. Die Menschen sind wirklich freundlicher als im Westen“, sagt er.

Auch seine Tochter, die in Lorsch bei Mannheim arbeitet, schätzt die Oberlausitz. So oft wie möglich ist sie an der Neiße zu Besuch. Zur Ausstellungseröffnung am Donnerstagabend hat sie sogar eines ihrer Werke verkauft – die frech dreinschauende Ziege. Die Vernissage ist gut besucht gewesen. Immerhin ist der Name Knippscheer noch immer vielen in Rothenburg gut vertraut. Jeder im Haus grüßt den ehemaligen Vorstand freundlich. Für ihn erfüllt sich mit der Ausstellung ein langgehegter Wunsch. Dabei hätte er gar nicht gedacht, dass die Tochter, die doch eine Liga besser male, sich mit ihm eine Ausstellung teilt, so der stolze Vater. Ehrgeiz liegt bei den Knippscheer offensichtlich in der Familie. Vater und Tochter sagen selbst, dass sie einander sehr ähnlich sind.