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Die Obstbäume frieren in voller Blüte

Der Frost hat Obstblüten und Weintriebe erstarren lassen. Auch in Sachsen wird mit Ernteeinbußen gerechnet.

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© dpa

Von Heike Jahberg, Sarah Kramer und Nadine Franke

Einmal hieß es in der Nacht von Mittwoch zu Donnerstag noch zittern, nun ist es hoffentlich geschafft. Ab diesem Donnerstag können die Obstbauern in Sachsen aufatmen, sagt Meteorologe Jürgen Weiß vom Wetterdienstleister Meteogroup. Damit ist die wohl letzte Frostnacht überstanden. Ab jetzt wird es endlich wärmer, auch nachts. „Ab Donnerstag ist wohl endlich Ruhe“, meint Weiß.

„Ist der Mai kühl und nass, füllt’s dem Bauern Scheun‘ und Fass“, sagt eine alte Bauernregel. Für die Obstbauern gilt das aber nicht. Landauf, landab klagen sie über den Frost, der ihnen in den vergangenen Wochen die Kirsch- und Apfelblüten hat erfrieren lassen. Winzer trauern um die kleinen Weintriebe, die den eisigen Temperaturen nicht haben trotzen können. Die Lage ist dramatisch, vor allem im Süden Deutschlands. „In Baden-Württemberg sind fast 100 Prozent der Apfel- und Birnenbäume sowie fast alle Weinberge betroffen“, sagt Michael Lohse vom Deutschen Bauernverband. Die grün-schwarze Landesregierung hat die Frostperiode bereits als Naturkatastrophe eingestuft, das hilft den Landwirten, finanzielle Hilfe vom Land zu bekommen. Im Bundesagrarministerium wird geprüft, ob es sich bei dem Frost und den Ernteausfällen um eine „Katastrophe von nationalem Ausmaß“ handelt. Falls ja, sind auch Hilfen des Bundes für die deutschen Obst- und Weinbauern denkbar.

Doch noch sind sich die Länder nicht einig. Rheinland-Pfalz hat Landeshilfen angekündigt, ohne den Naturkatastrophenfall auszurufen. Brandenburg prüft das weitere Vorgehen, will sich aber noch nicht festlegen. Für die Landwirte ist die Frage wichtig: Eine private Versicherung gegen Frostschäden hat nämlich kaum ein Obstbauer.

In Sachsen wurde das Ausmaß des Frosts noch nicht genau festgestellt. Allerdings können die Bauern mit einer Unterstützung des Landes rechnen, sollten mehr als 30 Prozent ihres Jahresertrags durch die Witterung verloren gehen. „Eine derartige Existenzgefährdung wird verhindert“, teilt Frank Meyer, Pressesprecher des Sächsischen Landwirtschaftsministeriums, mit. Gleichzeitig werden die sächsischen Regionen vom Bundesagrarministerium geprüft. Besonders Nord- und Westsachsen hat die Kälte schwer erwischt, erklärt Udo Jentzsch, Geschäftsführer des Landesverbands „Sächsisches Obst“. „In diesen Regionen gab es vor allem beim Apfel starke Blütenschäden“, erklärt er. Im Süden Sachsens hingegen sind die Obstbauern selbst beim Apfel noch optimistisch, und der Osten war von den Kälteschäden kaum betroffen.

Wie hoch die Schäden wirklich sind, weiß man erst, wenn geerntet wird. Doch die Sorgen sind beträchtlich, vor allem in den großen deutschen Obstregionen Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz. Der März und die ersten Apriltage waren hier besonders warm und trocken, daher haben die Bäume früher geblüht als sonst. „Der Kälterückfall im April hat die Obstbäume und den Wein voll getroffen“, berichtet Meteorologe Weiß.

Mit Frostschutzberegnung, Wachsfeuern oder Paraffinkerzen haben die Bauern versucht, die Frostschäden zu lindern. „Zwar schützt die Frostschutzberegnung vor eisigeren Temperaturen, aber das funktioniert nur in Maßen“, erklärt Manfred Uhlemann, Hauptgeschäftsführer des Sächsischen Landesbauernverbands. Sind die Pflanzen mit einer Eisschicht überzogen, isoliert diese und sorgt für Temperaturen um die null Grad und verhindert gravierendere Schäden. „Aber es können sich Eiszapfen bilden, die ganze Äste abbrechen lassen“, ergänzt Uhlemann. Beziffern lassen sich die Schäden in Sachsen bisher nicht. Um die tatsächlichen Schäden besser schätzen zu können, werden die Bauern noch zwei bis drei Wochen benötigen. Aber diese lange Blütezeit von drei bis vier Wochen sei ein schlechtes Zeichen, sagt Jentzsch. Außerdem sei es nicht nur zu kalt, sondern auch viel zu trocken, fügt Uhlemann hinzu. „Das sind insgesamt schlechte Bedingungen, während die Pflanzen im Hauptwachstum sind“, sagt er.

Vor allem die Süßkirschen hat es erwischt. „Besonders die späten Sorten tragen Schäden davon“, erklärt Jentzsch. Er rechnet mit einer Ertragsminderung von 30 bis 50 Prozent. Für den Apfel sei er allerdings noch recht zuversichtlich. Doch auch bei Pflaumen und Erdbeeren gäbe es Einbußen. Die Erdbeeren wurden mit Vlies abgedeckt, um sie vor dem Frost zu schützen. „Die Ernte wird nicht ausfallen, doch sie verzögert sich“, sagt Jentzsch. Eigentlich sollte die Freilandsaison bereits begonnen haben. Jetzt ist vor dem 30. Mai nicht mit dem Saisonstart zu rechnen. „Vermutlich können wir erst zu Pfingsten die ersten Erdbeeren ernten“, vermutet Jentzsch. Bis dahin wachsen die Beeren unter Folie oder im Treibhaus. „Auch die anderen Pflanzen sollten es überstehen. Nur beim Raps könnte es an mancher Stelle noch kleinere Einbußen geben“, sagt er. Nicht ganz so kritisch sieht es hingegen beim Spargel aus. Zwar benötigen die weißen Stangen stabile Temperaturen um die 25 Grad und acht Stunden Sonne pro Tag, um gut zu gedeihen, doch bisher sind sie unter der Erde gut geschützt, erklärt Uhlemann.

Dennoch ist das in den Läden bemerkbar. „Es kommt wenig Spargel von den Feldern“, sagt Rewe-Sprecher Raimund Esser. Bei deutschem Obst müssen sich Verbraucher auf höhere Preise einstellen – oder auf Erdbeeren aus Marokko und Spanien oder Kirschen aus der Türkei ausweichen.