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Die Müllers sind jetzt wieder mobil

Nachdem Helfer einen Weg gebaut hatten, kam jetzt auch der Rollstuhl. Damit kann sich das Paar einen Wunsch erfüllen.

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© André Braun

Von Jens Hoyer

Döbeln. Tief gerührt hatte Werner Müller im Mai verfolgt, wie wildfremde Menschen in seinem Garten innerhalb weniger Stunden einen Weg zur Straße anlegten (DA berichtete). Jetzt ist für ihn und seine Frau Irmgard ein weiterer Wunsch in Erfüllung gegangen. Am vergangenen Donnerstag ist der elektrisch unterstützte Rollstuhl geliefert worden, der den Müllers zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder Bewegungsfreiheit verschafft. Der 69-Jährige ist nach mehreren Schlaganfällen körperlich schwer beeinträchtigt und schafft es mit seinem Rollator noch maximal auf die Bank hinter dem Haus. „Wir haben den Rollstuhl schon mal kurz ausprobiert. Wir sind auf der Dresdner Straße bis zur Ecke hoch und dann wieder umgedreht“, erzählt seine Frau. Sonst war Werner Müller kaum herausgekommen. Regelmäßig eigentlich nur in die Tagesklinik, wo er betreut wird – heute noch einmal in der Woche.

Diese spontane Mobilität ist es, was die Müllers in den Jahren seit der Erkrankung von Werner vermisst haben. Die erste größere Tour ist schon klar. „Wir wollen in das Café von Unser Bäcker“, sagte Irmgard Müller. Das befindet sich in Döbeln Ost an der Dresdner Straße und wäre für die Müllers ohne den neuen Rollstuhl unmöglich zu erreichen. Irmgard Müller steuert das Hilfsmittel. Sie zeigt, wie es funktioniert. Ein- und Ausschalter, ein Knopf für die Geschwindigkeit, ein Hebel zum Losfahren. Da wird auf vorwärts und rückwärts umgeschaltet. Der Rollstuhl bremst von selbst, wenn es bergab geht. „Irmgard, nicht aufgeregt sein“, sagt Frau Müller zu sich selbst, als sie mit ihrem Mann über den neuen Weg in Richtung Straße rollt.

Der neue Weg ist überhaupt erst die Voraussetzung, dass die Müllers den Rollstuhl nutzen können. Vorher war dort nur Wiese. Unpassierbares Gelände für einen Rollstuhl. Helfen konnte den Müllers keiner aus der eigenen Familie – sie haben keine Kinder. Dann passierte so etwas wie ein kleines Wunder. Rico Weinheimer aus Lossen hatte über eine Freundin von den Problemen der Müllers erfahren. Im sozialen Netzwerk Facebook startete er im Mai einen Aufruf, über den Jens Funke, Inhaber einer Pflasterbaufirma in Leipzig, aufmerksam wurde. Die Kiesgrube in Bahra bei Riesa spendierte den Kies und die Firma Hellweg in Leipzig Borde und Pflastersteine. Innerhalb von zwei Tagen war der Pflasterweg zwischen dem Haus der Müllers und der Dresdner Straße fertiggestellt. Der MDR filmte das Ganze fürs Fernsehen und machte daraus einen Beitrag für den Sachsenspiegel.

Den teuren Rollstuhl bezahlte die Krankenkasse. Diese habe auch schon den Umbau des Hauses finanziert, als die Müller vom ersten Stock ins Erdgeschoss umziehen mussten, erzählte Katrin Gaudlitz, die Betreuerin der Familie. Auch der Rollstuhl sei problemlos bewilligt worden. „Das ist die einzige Möglichkeit, dass die Müllers wieder am sozialen Leben teilnehmen können.“ Erst sei ein Rollstuhl in Betracht gezogen worden, den Werner Müller selbst steuern kann. „Aber das wäre wegen der Nähe zur Straße nicht zu verantworten gewesen“, so die Betreuerin. Ein Mitarbeiter der Krankenkasse hatte sich die Situation vor Ort angeschaut. „Ich habe ihm den Film über den Bau des Weges gezeigt. Da konnte die Kasse gar nicht anders“, sagte Irmgard Müller.