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Die Mittel aus der Schatzkiste

Obstbau Görnitz feiert 25 Jahre Bestehen und löst sich immer mehr vom konventionellen Anbau. Das Unternehmen stellt auf die Bio-Königsklasse um.

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© Andreas Weihs

Von Ulrike Keller

Neusörnewitz. Sie wirkt wie ein geheimnisvolles Etwas zwischen Schatztruhe und Werkzeugkasten. Michael Görnitz spricht von seiner Präparatekiste und gewährt einen Blick auf verschlossene Glasbehälter. Darin bewahrt er Heilmittel aus der Natur auf. Heilmittel wie Kamille, Eichenrinde oder Baldrian. Selbst hergestellt, und inzwischen regelmäßig angewendet auf Boden und Pflanzen, um auf feinenergetischem Wege die Erde zu verbessern und die Keimlinge zu stärken. „Nach der Flut 2013 hatten wir auf diesen Aroniaflächen im Folgejahr mehr Ertrag und aromatischere, süßere Beeren“, sagt Michael Görnitz.

© Mirella Ziesche

Mit dem Einsatz dieser biodynamischen Präparate folgt der 30-jährige Chef des Neusörnewitzer Obstbaubetriebs Görnitz einer fest verankerten Demeter-Richtlinie. Denn im 25. Bestehensjahr des Familienunternehmens stehen nach nunmehr fünf Jahren EU-Bio-Zertifizierung die Zeichen auf Premium-Bio. Seit diesem Jahr ist die Firma offizielles Demeter-Mitglied und stellt ihren Biobereich auf jene Marke um, die als Königsklasse im Biosegment gilt. Nächstes Jahr wird es die erste Demeter-Ernte bei Äpfeln, Johannis- und Stachelbeeren geben sowie auch bei Aronia.

Die tiefblaue Wunderbeere ist der Renner bei den Kunden. Nach dem Selbstpflückestart erkundigen sich die ersten immer schon im Februar, berichtet Michael Görnitz. „Einige planen ihren Urlaub danach.“

Nur wenige wissen: Der Aronia-Anbau erzählt auch ein großes Kapitel Betriebsgeschichte. Betriebsvorgänger-Geschichte sogar. Denn die 1991 von seinem Vater mitgegründete Obstbaugemeinschaft Görnitz, Grosser und Schulz ging aus der früheren LPG 1. Mai Coswig hervor. In der 1976 entstandenen Produktionsgenossenschaft war schon Oma Elsbeth über Jahrzehnte im Materiallager und in der Mitarbeiter-Verpflegung tätig gewesen und Papa Volker, ausgebildeter Agraringenieur, als Bereichsleiter der Pflanzenproduktion beschäftigt.

Und bereits 1978 hatte man kleine Aronia-Bäumchen angepflanzt, weiß Michael Görnitz aus Erzählungen. „Zu DDR-Zeiten wurden sie im Deli als frische heimische Beeren mit angeboten, aber vor allem brauchte man sie wegen des Farbstoffs, zum Beispiel fürs Leckermäulchen.“

Mehr als eine Million investiert

Zur Wende war Aronia zunächst nicht mehr gefragt. Die Felder in Brockwitz wurden gerodet. Chemische Farbstoffe waren in. Bis 1993/ 94 eine Rohstofffirma anfragte, die sich wieder auf Naturfarbstoffe konzentrieren wollte. Für diesen Abnehmer wurden jene Sträucher gepflanzt, die noch heute stehen. Erst gute zehn Jahre später erschienen erste Untersuchungen zur gesundheitsfördernden Wirkung der Beere. Doch erneut gingen einige Jährchen ins Land, bis der Neusörnewitzer Betrieb ab 2010 in Kooperation mit einem großen Partner die Beeren zu Saft verarbeiten ließ. Bis heute ein sehr gefragtes Produkt.

Damals führte Michael Görnitz‘ Vater das Unternehmen bereits als alleiniger Geschäftsführer. Der Firmenname „Volker Görnitz und Sohn“ verriet schon die Mitwirkung der nächsten Generation. In Person von Michael und seinem sechs Jahre älteren Bruder Mario. Seit ihrer Kindheit verbrachten sie jede freie Minute auf dem Feld, halfen bei jeder Ernte mit.

Früh stand fest, dass die Jungs das Unternehmen später weiterführen wollen. „Das geht nur im Familienverbund, wenn jeder seine Fähigkeiten einbringt“, sagt Michael Görnitz. Nach seinem Doppelstudium von Biochemie und Gartenbau übernahm er die Geschäfte, 2009 als Chef, 2015 gar als Inhaber. Die Wissenschaft baute er zu einem wichtigen Standbein aus. Gerade hat das Unternehmen wieder das Gütesiegel „Innovativ durch Forschung“ erhalten. Bruder Mario Görnitz ist Mitgesellschafter des Bio-Betriebs und zuständig für den gesamten Bereich des Pflanzenschutzes sowie für die Pflege aller Kulturen.

1,4 Millionen Euro hat Michael Görnitz in den vergangenen sieben Jahren in den Betrieb investiert, besonders in moderne Technik und Gewächshäuser. Allein 400 000 Euro flossen in die Umstellung auf Bio. „Das ist ein enorm teurer Prozess. Schließlich erfolgt alles in filigraner Handarbeit, angefangen beim Unkrautzupfen“, erklärt der Arbeitgeber von 25 Festangestellten und bis zu 70 Saisonarbeitskräften.

Diese Ausrichtung hält Michael Görnitz für die einzige Möglichkeit, langfristig als mittelständischer Obstbaubetrieb zu überleben. Mit dem konventionellen Anbau sei das nicht machbar: „Wir produzieren mit extrem viel Aufwand und Herzblut, tragen ein immenses Risiko des Ernteausfalls, und am Ende erklärt der Großhandel: Entweder ihr gebt uns die Schale für ein paar Cent, oder wir holen die Früchte im Ausland. Da habe ich mir gesagt: Das kann nicht sein.“

Nun adressiert er die bewusst gesund kaufende Bevölkerung in der Region. Der Bioobstbetrieb deckt bereits 80 Prozent der Anbaufläche ab. Vor drei Jahren waren es noch 40 Prozent. Doch die große Zielstellung heißt Demeter. „Das setzt noch eines drauf“, betont Michael Görnitz, der sich seit vier Jahren mit der biodynamischen Landwirtschaft befasst. „Es schmeckt noch einmal komplett anders, ist nachhaltig gesund. Diese Nische wollen wir bedienen.“