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Was wird aus dem Flugplatz?

Eine Einwohnerversammlung zum Stand um den Großenhainer Flugplatz am Montagabend lässt viele mit vielen offenen Fragen zurück.

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Von Catharina Karlshaus

Am Ende wehte dann sogar ein winziger Hauch von Hollywood durch den Alberttreff. Denn einmal das Mikrofon in den Händen haltend, bedankte sich Armin Benicke – Vertreter der Bürgerinitiative „Pro Flugplatz“ – einer amerikanischen Preisverleihung gleich, wortreich bei all seinen vermeintlichen Unterstützern. Dass die Huldigung für Sachsens Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich im Raunen des sichtlich amüsierten Saales unterging – den ersten Mann im Freistaat hätte es gewiss nicht gestört. Es war das Ende einer Einwohnerversammlung, die in Großenhain bereits seit vielen Monaten erwartet worden war.

Falk Eichhorn, Einwohner: „Welche Flächen kommen denn als Ersatz infrage? Wildenhain wahrscheinlich nicht, oder?“
Falk Eichhorn, Einwohner: „Welche Flächen kommen denn als Ersatz infrage? Wildenhain wahrscheinlich nicht, oder?“
Dr. Harald Vinke, Freistaat Sachsen: „Es kommen jetzt nicht gleich die Bagger. Und die Flieger müssen auch nicht sofort weg.“
Dr. Harald Vinke, Freistaat Sachsen: „Es kommen jetzt nicht gleich die Bagger. Und die Flieger müssen auch nicht sofort weg.“
Wolfgang Freese, Wirtschaftsförderung Sachsen: „In den letzten zehn Jahren gab es sieben Anfragen für Flächen dieser Größe.“
Wolfgang Freese, Wirtschaftsförderung Sachsen: „In den letzten zehn Jahren gab es sieben Anfragen für Flächen dieser Größe.“
Kay Zilliges, Einwohner: „Die Großenhainer haben für ein Bürgerbegehren unterschrieben. Sie fühlen sich übergangen.“
Kay Zilliges, Einwohner: „Die Großenhainer haben für ein Bürgerbegehren unterschrieben. Sie fühlen sich übergangen.“
OB Burkhard Müller (CDU): „Ich bin da sehr optimistisch, dass wir gemeinsam eine gute Lösung für Großenhain finden!“
OB Burkhard Müller (CDU): „Ich bin da sehr optimistisch, dass wir gemeinsam eine gute Lösung für Großenhain finden!“
Holger Faulhaber, BI Flugplatz: „Es geht immer wieder ums Geld, und das haben wir eben nur in begrenztem Umfang.“
Holger Faulhaber, BI Flugplatz: „Es geht immer wieder ums Geld, und das haben wir eben nur in begrenztem Umfang.“

Immerhin: Seitdem sich die Räte in ihrer Sitzung am 14. Oktober 2013 für die Entwicklung eines Industriegebietes im Norden der Stadt ausgesprochen hatten, mobilisierte sich der Widerstand unter den Großenhainern. Zwar wollen viele von ihnen auch, dass auf dem 230 Hektar großen Areal – im alleinigen Besitz des Landes Sachsen – neue Arbeitsplätze entstehen. Allerdings nicht unter der Maßgabe, dass deshalb auch ein Gutteil Röderstädter Identität verschwindet: die Fliegerei.

Innerhalb weniger Tage gelang es der Ende Oktober gegründeten Bürgerinitiative (BI) Hunderte von Unterschriften für ein Bürgerbegehren zu sammeln. Im Dezember waren es schließlich über 3 800, die sich für die Entwicklung eines Industriegebietes bei gleichzeitiger Beibehaltung des Flugwesens aussprachen. Nachdem die Wogen zu Beginn des Jahres zwischen den Stadtvätern und der Initiative richtig hochgeschlagen waren, dann die plötzliche Wende. Nicht nur, dass sich beide Seiten nun kommunikativ annäherten. Die Bürgerinitiative zog Mitte Februar gar ihr eigenes Bürgerbegehren zurück. „Wir haben ja immer gesagt, es geht uns um den Erhalt der Fliegerei in Großenhain. Aber wir wollten nie einen nicht enden wollenden Streit“, erklärt Holger Faulhaber von der BI auch vorgestern Abend.

Ein Abend moderiert von MDR 1-Radio-Sachsen-Journalist Jürgen Stiehl, der vor allem eines wollte: Das Projekt Industriepark vorstellen und die Interessen der Flieger näher betrachten. So betont der zuständige Fachbereichsleiter im Staatsbetrieb sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) Dr. Harald Vinke noch einmal, dass es in den nächsten zwei Jahren zunächst darum ginge, Baurecht zu schaffen. „Und eben nicht die beleuchtete Wiese hingestellt wird, wie oftmals befürchtet.“

Großenhains Oberbürgermeister Burkhard Müller (CDU) macht seinerseits keinen Hehl daraus, dass er hinter der Entscheidung des Stadtrates stehe. „Ich halte diese für die zentrale Basis der Weiterentwicklung unserer Stadt. Unser Potenzial als Tourismusort reicht nicht aus.“ Also müsse man sich auf die Chancen einer Industriestadt besinnen. Die Neuansiedlung des Bielefelder Kompressorenherstellers Boge habe gezeigt, dass die Synergieeffekte für hiesige Betriebe durchaus gegeben sind.

„Wir profitieren natürlich von so einer Ansiedlung, weil sich dadurch für uns nachfolgende Aufträge oder Tätigkeitsfelder ergeben“, bestätigt Timmi Held im Namen der Großenhainer Unternehmerschaft. Etwas, woran auch zumindest all jene Großenhainer, die am Montagabend gekommen sind, gar nicht rütteln möchten. Denn zwar wollen auch sie aus dem Mund von Wirtschaftsförderer Wolfgang Freese hören, ob denn schon ein Investor bereitsteht: „Nein, ein konkreter noch nicht!“ Und natürlich ist das Aufatmen nahezu greifbar, als Harald Vinke versichert, es werde auf dem Filetstück kein Windpark entstehen. Der große Protest gegen das Industriegebiet bleibt jedoch aus.

Was die Menschen an diesem Abend bewegt, ist das Schicksal des Flugplatzes und natürlich auch das des Fliegenden Museums. „Für uns ist das freilich ein schwerer Schlag! Das Lebenswerk meines Vaters und zehn Jahre meiner eigenen Arbeit werden zerstört. Und wir wissen jetzt noch nicht, was wir künftig tun werden“, bekennt Inhaberin Brigitte Koch.

Nicht ganz nachzuvollziehen für einige Anwesende ist vor allem der scheinbare Rückzieher der Bürgerinitiative. „Der Großteil der Einwohner hat sich für die Nutzung eines verkleinerten Flugplatzes an der jetzigen Stelle entschieden und dafür unterschrieben. Und nun haben einfach drei Leute entschieden, wir einigen uns mit der Stadt und dem Freistaat. Da fühlen sich doch die Großenhainer übergangen“, sagt Kay Zilliges unter dem Beifall der anderen Gäste. Immerhin hätten sich über 4.000 Röderstädter nicht dafür ausgesprochen, dass eine kleine „Fliegerlobby“ jetzt weiter ihrem Hobby frönen könne. „Sie haben unterschrieben, damit Großenhain nicht seine Identität, nämlich den Flugplatz verliert.“ Dass sie diesen verliert, da ist sich Harald Kühne (Die Linke) nahezu sicher. „Die Messen sind gelesen“, vermutet der Stadtrat. Wie er betont, wäre es besser, es würden solche Einwohnerversammlungen künftig zu einem Zeitpunkt stattfinden, bevor solche gravierenden Entscheidungen getroffen werden.

Nun, die nächste Gelegenheit dazu gibt es spätestens dann, wenn über entsprechende Grundstücke für einen neuen Flugplatz-Standort gesprochen wird. Drei bis vier infrage kommende Flächen hätten die Flieger zurzeit im Auge, so Holger Faulhaber. Ob sie geeignet sind, müsse man jedoch erst prüfen, und vorher werde man sie auch nicht konkret benennen. Und wie das alles zu finanzieren sei? „Wir sind natürlich nicht Krösus. Aber wir sind optimistisch, dass wir es schaffen können.“

Eine Zuversicht, mit der indes nicht alle Großenhainer den Alberttreff verlassen. Erst recht nicht so frohgemut wie Flieger Armin Benicke. „Ich bin zutiefst enttäuscht. Wenn man einmal den Flugplatz aufgibt, ist es unmöglich, für eine andere Stelle eine Genehmigung der Luftverkehrsbehörde zu bekommen“, sagt Lutz Gronenberg. Als passionierter Sportpilot habe er sich mehr Kampfgeist von der BI erhofft.