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Die Meisterzüchter von Neustadt

Sten Ritschel und Marcus Lotze haben die schönsten Tauben Deutschlands und Europas. Das zu schaffen, braucht Erfahrung.

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© Steffen Unger

Von Katarina Gust

Neustadt. Ein vertrautes Gurren hallt über den Hof von Marcus Lotze. Stolz und schön sitzen sie da, auf Holzbalken, sicher geschützt in einer Voliere. Wer sich nicht auskennt in der Geflügelszene, würde sie schnell mit normalen Tauben verwechseln. Doch das, was Marcus Lotze in Berthelsdorf züchtet, ist mehr. Es sind die schönsten Rassetauben Europas. Thüringer Flügeltauben, um genau zu sein. Bereits seit 30 Jahren kümmert er sich um dieses Rassegeflügel. Schon der Vater hatte Tauben, der Sohn stieg als Jungspund in seine Fußstapfen. Heute nennt er über 100 Tiere sein Eigen.

Mit seinen schönsten Flügeltauben ist Lotze Ende 2015 bei der Europameisterschaft im französischen Metz angetreten. „Nach drei Jahrzehnten Zuchterfahrung hat man ein Gefühl dafür, ob es für einen vorderen Platz reichen könnte“, sagt er. Sein siebenter Sinn sollte ihn nicht trügen. An die 30 Kisten mit Tieren und Zubehör wurden schließlich nach Frankreich verfrachtet. Eine Kollektion mit vier Tieren suchte Lotze für die Preisrichter aus. Etwa drei Tage waren nötig, um die Tauben für diesen Moment vorzubereiten: Gefieder putzen, Füße waschen, Federn richten. Alles für die Schönheit. Der Aufwand hat sich gelohnt. Insgesamt 381 Punkte hat Marcus Lotze mit seinen vier Tauben eingefahren. Und war damit besser als jeder andere Züchter von Thüringer Flügeltauben – europaweit. „Das ist der höchste Titel, den ich je gewonnen habe“, sagt er nicht ohne Stolz. Und davon gibt es einige. 2012 hat er es schon einmal zum Europachampion geschafft, damals mit Kaulhühnern.

Paarung wird nicht Natur überlassen

Marcus Lotze steht mit diesem Erfolg aber nicht alleine da. Zumindest nicht, wenn es um den Rassegeflügelzüchterverein Oberottendorf geht, für den er sich engagiert. Denn dieser hat weitere Meisterzüchter hervorgebracht. Dazu zählt Sten Ritschel. Er ist im vergangenen Jahr zum Deutschen Meister gekürt worden. Es war sein erster großer Titel. Mit Pfautauben konnte sich der Dresdner in Leipzig gegen eine starke Konkurrenz durchsetzen. „Wir haben uns im Verein alle sehr über diesen Preis gefreut“, sagt Marcus Lotze. Es hätte mit Sten Ritschel genau den Richtigen getroffen.

Solche Preise seien eine Anerkennung und zugleich eine Motivation, weiter zu züchten. Denn ein einfaches Hobby sei die Geflügelzucht nicht. Jetzt, mit dem einsetzenden Frühling, beginnt die spannendste Zeit. Dann paaren sich die Tiere und sorgen für neuen Nachwuchs. Dem Zufall überlässt der Züchter das allerdings nicht. Im Gegenteil. Er wählt die Tiere aus, die gepaart werden. „Man muss genau wissen, welche Tauben zusammenpassen“, erklärt Marcus Lotze.

Bei seinen Thüringer Flügeltauben kommt es zum Beispiel darauf an, dass die Tiere nicht zu lang werden. Die Proportionen müssen stimmen. Außerdem ist ein roter Augenrand typisch für diese Rasse, genauso wie ein zweifarbiger Schnabel. Der Oberschnabel ist schwarz, der untere gelblich. Nur einmal pro Jahr bringen die Tauben Jungtiere auf die Welt. Im Schnitt sind es sechs Küken. Wenn sie schlüpfen, weiß Lotze noch nicht, ob diese Tiere einmal Pokale nach Hause holen werden. Erst wenn sie ausgewachsen sind, steht das fest. Ein heikler Punkt sei auch die Mauser, die meist im September und Oktober stattfindet. Dann wechseln die Tauben ihr Gefieder. „Ist es wie im vergangenen Jahr zu warm, verzögert sich die Mauser“, sagt Lotze. Das hat wiederum Auswirkungen auf die ersten Schönheitswettbewerbe, die ab November anstehen. Die Tiere sind dann noch nicht fertig. Doch zum Glück gehe es anderen Züchtern auch so, meint Lotze.

Nach dem Ende der Wettbewerbssaison wird sich der Berthelsdorfer nun wieder mehr auf die Arbeit im Rassegeflügelzüchterverein Oberottendorf konzentrieren können. 29 Züchter engagieren sich unter diesem Dach. Außerdem sind fünf Jugendliche aktiv. Die Nachwuchsarbeit liegt Lotze besonders am Herzen, denn sie sei die Zukunft des ganzen Vereins. Der Großteil der Kinder und Jugendlichen hätte sich das Hobby bei den Eltern oder Großeltern abgeschaut. So sei es auch bei ihm gewesen. „Es macht großen Spaß“, sagt er. Für die Taubenzucht sei eine spezielle Voliere nötig. Denn frei fliegen lassen – wie früher – könnte man die Tiere heute nicht mehr. Der Grund seien Greifvögel. Weniger aufwendig sei die Zucht von Hühnern. „Diese Tiere kann im ländlichen Gebiet fast jeder halten, der einen Garten oder ein Grundstück hat“, sagt der Züchter.