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Die Meister der Perfektion

Riesa erlebt einen fulminanten Showtanzabend. Zwei Nationen dominieren mit ihrer unglaublichen Präzision.

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© Sebastian Schultz

Von Kevin Schwarzbach

Riesa. Riesa ist über seine Grenzen hinaus als Nudel- und Stahlwerkerstadt bekannt. Doch die Elbestadt führt weltweit noch einen anderen Titel: Tanzstadt. Riesa sei gar „das Mutterland des Showtanzes“, sagt Andrey Kokoulin, Vizepräsident der International Dance Organization (IDO). Seine Begründung: „Niemand hat vor zwei Jahrzehnten geglaubt, dass Showtanz mal so eine bedeutende Rolle in der Tanzwelt einnehmen würde. Und wo ist dieser Sport aufgewachsen? In Riesa.“

Die Slowenin Arnika Matko Juvancic sicherte sich mit ihrer melancholischen Vorstellung „Es war einmal in einer anderen Zeit“ den WM-Titel im Einzel der Frauen.
Die Slowenin Arnika Matko Juvancic sicherte sich mit ihrer melancholischen Vorstellung „Es war einmal in einer anderen Zeit“ den WM-Titel im Einzel der Frauen. © Sebastian Schultz

Und genau in jene Stadt kehrt die IDO samt mehreren Tausend Tänzern Jahr für Jahr zurück, um die Showtanz-WM auszutragen. Am vergangenen Sonnabend stieg das Finale der Weltmeisterschaft in der Sachsenarena. Rund 3 000 Zuschauer kamen, um die Showtanz-Elite bei der Arbeit zu bestaunen und sich an den Duellen um die sechs Weltmeisterkronen zu ergötzen. Durch den Abend führte einmal mehr der Hamburger Michael Wendt.

Lebenselixier des Moderators

Schnell macht der Moderator die Bühne für die ersten Tänzerinnen frei. Ebenso schnell wird klar, welche Nationen den Tanzabend an sich reißen wollen: Im Einzel der Frauen siegt die Slowenin Arnika Matko Juvancic, im Duo der Frauen holen sich die Russinnen Kseniya Goryacheva und Cristina Zotova den Titel. Bei den kleinen Gruppen setzt sich das russische Team „Dance FM“ die Weltmeisterkrone auf.

Mittendrin im Tanzgeschehen ist stets Michael Wendt. Die Tanzbühne scheint das Lebenselixier des 68-jährigen Moderators zu sein. Wendt, seit 2014 der erste deutsche Präsident der IDO, wird auch im Alter offenbar nicht ruhiger, sondern noch aktiver – er wippt zur Musik, saust über die Bühne und feiert die Tänzer, gemeinsam mit Ko-Moderator Ralf Josat.

Auch die Zuschauer erweisen den Sportlern wieder alle Ehre und gehen mit ihrem Applaus keineswegs sparsam um. Riesa ist ein faires und dankbares Publikum. Selbst, als die beiden Discokugeln an der Decke die Halle zum sechsten Mal in eine Partyhölle verwandeln, geht noch ein erstauntes Raunen durch das Publikum.

Große gemeinsame Feier

Die Tänzer verdienen sich indes ihren Applaus redlich. Sie tanzen, sie springen, sie schweben, sie drehen Pirouetten – in mitreißender Schnelligkeit oder atemberaubender Langsamkeit. Showtanz hat an diesem Abend viele Gesichter: Liebe, Glückseligkeit, Verbitterung, Melancholie. Es werden bewegende Geschichten erzählt. Deren Inszenierung entscheidet oftmals über das Urteil der Zuschauer, über die Lautstärke des Beifalls. Nicht selten jubelt das Publikum bei pompös ausgestatteten Auftritten am intensivsten. Doch die Jury hat andere Kriterien; sie liebt mehr den Tanz, weniger die Show. Sie würdigt vor allem tänzerische Präzision und Perfektion. Die Feinheiten entscheiden. Kriterien, die die Slowenen und Russen an diesem Showtanzabend zu erfüllen wissen.

Beim Einzel der Männer gewinnt der Slowene Jan Ravnik, den Weltmeistertitel bei den Formationen sichert sich das russische Team „RISIyane“ knapp vor den deutschen „Jazz-Lights“. Lediglich den beiden Südafrikanern Micaela Todd und Kalon Badenhorst gelingt es, die russisch-slowenische Dominanz zu durchbrechen und sich die Weltmeisterkrone beim gemischten Duo aufzusetzen.

Als Mehrwert für Riesa bleiben am Ende die Worte von Baubürgermeister Tilo Lindner hängen, der OB Marco Müller (CDU) vertritt: „Es war eine gemeinsame Feier von 2 500 Sportlern aus 26 Nationen von fünf Kontinenten, in unserer Stadt. Eine vorbildliche Veranstaltung.“ Und die Feier geht schon am Dienstag mit der Stepptanz-WM in ihre nächste Runde.