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„Die Manufaktur muss Arbeitsplätze sichern“

Auf seiner Sachsen-Tour macht der Vorsitzende der Linken im Landtag Halt in Meißen – und hinterlässt klare Botschaften.

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© Claudia Hübschmann

Meißen. Den ganzen Tag nimmt sich Rico Gebhardt Zeit für seinen Besuch in Meißen. Gerade befindet sich der 53-jährige Oppositionsführer der Linken im sächsischen Landtag auf 14-tägiger Sommertour durch Sachsen. Zwischen Leipzig, Dresden und Görlitz will der gebürtige Erzgebirger mit Menschen ins Gespräch kommen – vorzugsweise nicht in den großen Städten, sondern den Gemeinden im ländlichen Raum. Während seines Aufenthalts in der Porzellan-Stadt spricht er mit der SZ über die Herausforderungen der Porzellanmanufaktur, die hiesige Stimmungslage, die Außenwahrnehmung der Stadt und warum es wichtig ist, die Zivilgesellschaft wieder mehr in die Politik einzubeziehen.

Herr Gebhardt, was machen Sie gerade jetzt in Meißen, wo doch gar keine Wahl ansteht?

In bin nicht nur in Meißen unterwegs, sondern in allen Landkreisen Sachsens. Damit will ich dem Vorwurf vorbeugen, Politiker würden nicht zu den Menschen kommen, sondern nur in den Landtagen oder Rathäusern sitzen. Und immerhin steht 2017 die Bundestagswahl an. Da ist es gut, wenn ich schon jetzt mit den Leuten ins Gespräch komme, ihnen zuhöre, aber auch selbst erkläre, wo die Arbeit unserer Partei auf Landes- und Bundesebene gerade steht.

Bei ihrem Besuch in der Stadt im Mai drehte sich vieles um den Weinskandal. Was ist dieses Mal der Schwerpunkt?

Mein Besuch steht unter dem Motto Lebensqualität im ländlichen Raum. Und da ist Meißen für mich eine Art Musterstadt, weil es eine recht große Kommune ist, ihr Umfeld aber trotzdem ländlich geprägt ist. Ich komme gerade aus der Porzellanmanufaktur, wurde vom neuen Geschäftsführer Tillmann Blaschke empfangen und rumgeführt. Zur Porzellanbiennale auf die Albrechtsburg, zu der Initiative Buntes Meißen und letztlich zum Winzer Christian Fichter wird mich mein Weg noch führen.

Wäre nicht ein Runder Tisch mit Bürgern besser gewesen, um über deren Sorgen und Hoffnungen zu sprechen?

Wichtig ist mir, mehr über die regionale Wirtschaft, den öffentlichen Nahverkehr und die Mobilität, Gesundheit und Daseinsfürsorge sowie öffentliche Sicherheit zu erfahren. Dafür muss man zuerst mit den gesellschaftlichen Akteuren und Partnern sprechen. Selbstverständlich stehe ich aber auch für den ganz normalen Bürger für Gespräche bereit. Bei meinem letzten Besuch habe ich mich mit vielen Meißnern ausgetauscht. Dieses Mal stehen eher Betriebe im Vordergrund.

Sie haben Ihren Besuch in der Manufaktur angesprochen. Welchen Eindruck haben sie von den Abläufen und dem neuen Chef? Wie muss sich der staatliche Betrieb in Zukunft aufstellen?

Ich glaube, dass Herr Blaschke der Richtige ist, um die Manufaktur wieder in ruhiges Fahrwasser zu manövrieren. Er macht einen engagierten, geradlinigen Eindruck. Seine Idee, an alten Traditionslinien festhalten, diese aber neu denken und zeitgemäß weiterentwickeln, halte ich für gut. Das heißt: Konzentration auf die Porzellanmalerei aber gleichzeitig Innovation durch neue Produkte außerhalb des klassischen Kaffeeservices. Das mag der richtige Weg sein. Bei allem das Wichtigste ist aus meiner Sicht aber: Die Manufaktur muss die Arbeitsplätze ihrer Mitarbeiter langfristig sichern. Ich als Abgeordneter im Landtag möchte betonen, dass die Manufaktur mehr ist als ein Unternehmen, nämlich eine Kultureinrichtung, die es zu bewahren gilt. Das ist das Ziel des Freistaats.

Sie werden später die Geschäftsstelle des Vereins „Buntes Meißen“ besuchen. Wie ist aus Ihrer Sicht die Außenwahrnehmung von Meißen nach ausländerfeindlichen Übergriffen im letzten Jahr? Tut die Stadt genug für Integration und gegen nazistisches Gedankengut?

Für mich tut vor allem die Landesregierung zu wenig, um solchen Strömungen entgegenzuwirken. Die Präsenz, wenn etwas passiert, auch vor Ort zu sein und eine entschiedene, frühzeitige Haltung gegen Rechts einzunehmen, hat Stanislaw Tillich verpasst. In Meißen ist es nun schon länger ruhig. Ob das mit den Initiativen des Bürgermeisters durch Gesprächsrunden oder dem lobenswerten Engagement des Vereins Buntes Meißen zu tun hat, lässt sich schwer sagen - schließlich sind gerade Erstaufnahmeeinrichtungen geschlossen worden, weil weniger Flüchtlinge kommen. Ansonsten ist Meißen sicher keine Hochburg reaktionären Gedankenguts. Aber es muss mehr dafür getan werden, dass sich die Leute nicht abgehängt fühlen.

Was meinen Sie mit abgehängt konkret?

Zu viele Bürger fühlen sich nicht ernst genommen, weil sie sich für ihre Kommune engagieren wollen, es aber keine Angebote gibt, die es ihnen ermöglichen. Hier kann sich auch in Meißen noch etwas tun. Es reicht nicht, die Altstadt schön zu sanieren, in den Straßenbau zu investieren oder Betriebe in die Stadt zu holen. Auch die Bürger müssen die Möglichkeit bekommen, sich einzubringen, ohne dafür Geld bezahlen zu müssen. Andernfalls kommt es zu Resignation und Unzufriedenheit, die Tendenzen fördern, die einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft nicht gut tun.

Gibt es nicht auch in Ihrer Partei solche Tendenzen? Täuscht der Eindruck, dass vor allem ältere Mitglieder der ostdeutschen Linken die Partei spalten, wenn es um die Integration von Flüchtlingen geht?

Von Spaltung spüre ich nichts. Sicher gibt es einzelne Mitglieder, die der Flüchtlingspolitik im Bund skeptisch gegenüberstehen. Skepsis heißt aber nicht Ablehnung von Willkommenskultur. Gerade im Osten ist es wichtig, sich auch diese skeptischen Argumente anzuhören und abzuwägen, wie die Politik der Linken in Zukunft aussehen soll.

Welches Fazit ziehen Sie nach ihrem Besuch hinsichtlich der Lebensqualität in Meißen?

Die Stadt hat die nötigen Voraussetzungen für eine gute Lebensqualität – etwa durch ihre Lage in der Nachbarschaft zu Dresden, die Weinberge, die Elbe und eine gute Infrastruktur. Was fehlt, ist vielleicht, noch zukunftsorientierter zu denken. Gerade im ländlichen Raum müssen die Kommunen überlegen: Wie können sich junge Familien und Kinder hier wohlfühlen? Dazu müssen sie mehr tun für alternative Kulturprojekte, sich offen für Neues zeigen. Nur so entsteht ein gewisses Flair, das eine Kleinstadt sehr attraktiv machen kann.

Das Gespräch führte: Marcus Herrmann