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Die Linden verschwinden

Ein Gutachten bescheinigt den kranken Bäumen am Standort keine guten Chancen. Im Februar werden sie wohl gefällt.

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© Claudia Hübschmann

Von Marcus Herrmann

Meißen. In ihr 25. Jahr vor dem Meißner Theater werden es die beiden Linden nicht mehr schaffen. Im nächsten Jahr wäre es soweit gewesen. Doch dann werden die 1993 gepflanzten Bäume verschwunden sein. Dass es dazu kommen würde, war lange Zeit nicht sicher. Baumschützer und zahlreiche Meißner hätten die Bäume gerne erhalten – trotz ihres spärlichen Wuchses. Deshalb hatte die Stadt erneut ein Baumgutachten in Auftrag gegeben. Was hat dieses ergeben und ist das Schicksal der Linden damit tatsächlich besiegelt?

Warum wurden die Linden nicht sofort nach dem eindeutigen Beschluss
des Bauausschusses vom Juni 2016 gefällt?

Weil Verwaltung und Oberbürgermeister plötzlich Bedenken gekommen sind. Das hatte zum einen mit öffentlichem Protest von Meißner Bürgern zu tun. Zum anderen wurde die Verwaltung durch eine Erklärung vom Juli 2016 überrascht. Darin hatte der Rotary Club Meißen dargelegt, die Bäume 1993 mit Spendenmitteln finanziert zu haben. „Wir hätten es daher als unredlich empfunden, nicht noch einmal alle Möglichkeiten prüfen zu lassen, wie die Bäume am Theaterplatz weiter wüchsen oder ob man sie vielleicht umsetzen könnte“, erklärt OB Olaf Raschke (parteilos). Deshalb hatte die Verwaltung ein Expertengutachten in Auftrag gegeben.

Was ist das Ergebnis des Gutachtens
und was bedeutet das für die Bäume?

Gutachter Dr. Henrik Weiß aus Dresden kommt zu dem Ergebnis, dass der Standort vor dem Theater ungünstig für die Bäume ist. So gelange durch die Baumscheiben nur sehr wenig Wasser ins Wurzelwerk, hätten Barrieren im Boden zu einem sehr asymmetrischen Wuchs der Wurzeln beider Bäume gesorgt. „Die Untergrundkonstellationen mit schweren Abdeckplatten haben zu einem deformierten Wachstum der Wurzeln geführt“, so Weiß. Zwar sei der etwas größere (zehn Meter hoch) der beiden Bäume, was den Stammumfang betrifft, relativ konstant 2,2 Zentimeter pro Jahr gewachsen. Aber die schüttere Krone deute klar auf den schlechten Gesundheitszustand hin. „Außerdem habe ich festgestellt, dass der Baum mit einem Pilzmyzel befallen ist. Wie sich die getroffenen Gegenmaßnahmen auswirken, ist ungewiss“, so Weiß. Der Baumwuchs stagniere. Bei dem etwa zwei Meter kleineren Baum sei keine Regeneration mehr zu erwarten. Das liege auch daran, dass er zu tief in die Erde eingepflanzt worden sei, weshalb der Wurzelraum noch stärker eingeschränkt wurde. Insgesamt bewertet Weiß den jetzigen Standort als ungünstig, weil zu trocken und stressintensiv. Als Reaktion darauf will die Stadt den Beschluss des Bauausschusses umsetzen und die Bäume im Zuge der Neugestaltung des Theaterplatzes fällen.

Könnten die Bäume nicht gerettet werden,
indem man sie umsetzt?

Die Erfolgsaussichten schätzt der Gutachter als schlecht ein. Bei dem bereits kranken, größeren Baum drohe eine Stammfäule. Den Pilzbefall selbst zu bekämpfen, würde die Linde wohl nicht schaffen. „Im Übrigen wäre eine Behandlung der befallenen Stelle mit Baumwachs am jetzigen Standort falsch. Das könnte sogar zur Ausbreitung des Pilzes führen“, sagt Weiß. Aktuell seien 36 Prozent des Stammes befallen. Eine Umsetzung des kleineren Baumes berge das Risiko des Absterbens durch Stress. „Wenn ein anderer Standort günstig gewählt würde, könnte er sich aber dort innerhalb von drei bis fünf Jahren erholen“, so Weiß. Eine Umsetzung sei natürlich wesentlich teurer und aufwendiger als neu zu pflanzen.

Wann sollen die Linden gefällt werden
und gibt es Ersatz am Theaterplatz?

Einen festen Termin gibt es nicht. Wahrscheinlich, sagt Heike Müller aus dem Stadtbauamt, sei aber eine Fällung beider Bäume im Februar. Daran, dass es an anderer Stelle am Theater elf neue Bäume geben soll – neun an der Ostseite , einen westlich des Theaters und einen im Bereich Baderberg – will die Stadt festhalten. Als favorisierte Art gilt hier derzeit ein mit dem Weißdorn verwandtes Kernobstgewächs.