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Die letzten Vertreter eines aussterbenden Hobbys

Briefmarkensammeln ist meist nur noch etwas für alte Männer. Doch die Großenhainer Philatelisten hüten auch Schätze.

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© Kathrin Krüger-Mlaouhia

Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Großenhain. Manche sind mit einer dicken Aktentasche gekommen. Darin sind mehrere dicke Alben voller Briefmarken. Es ist öffentlicher Tausch im Großenhainer Alberttreff. Auch aus Radebeul, Südbrandenburg, Riesa oder Lommatzsch sind Herren angereist. Man bringt mit, was man abgeben oder vervollständigen möchte. Doch ihre eigentliche Sammlung lassen die Philatelisten zu Hause. Zu wertvoll sagen sie.

14 Mitglieder, meist ältere Männer, gehören zum Philatelistenverein Großenhain und Umgebung. Auch Gäste sind da. Frauen sucht man an diesem Sonntagvormittag allerdings vergeblich. „Unser Altersdurchschnitt ist weit über 60 Jahre“, sagt Vereinsvorsitzender Christian Reimann. Obwohl es einzelne Jüngere gibt, sehen sich die Briefmarkensammler als letzte Vertreter eines aussterbenden Hobbys. Vorbei die Zeiten, als der verstorbene Gymnasiallehrer Joachim Neumann noch Schüler in den Klub brachte. „Für heutige Jugendliche sind wir veraltet und verstaubt“, heißt es.

Mit Pinzetten schieben die Sammler ihre Tauschobjekte in ihre dicken Alben. Getauscht wird mit Wertausgleich, selten wird mit Geld bezahlt. Auf Vollständigkeit einer Serie kommt es den Markenfreunden an. Die Allermeisten sammeln alle Deutschland- oder DDR-Marken. Helmut Schulz aus Riesa hat sogar ein formschönes Album dafür: mit Ledereinband und Postzeichen drauf. Postfrisch und gestempelt sind alle Schätze darin, und es gibt gute Erklärungen zum Inhalt der Marken. „Schon sechs Jahre sammle ich Deutschland plus“, erklärt der Rentner. Dabei handelt es sich nämlich um Marken mit Zuschlag, die teurer waren als gewöhnlich. Schulz bezieht sie über den Handel. Oder schickt sie selbst an Verwandte, von denen er sie dann zurückerhält. Der Riesaer hat fürs Tauschen eine akribische Marken-Fehlliste mit zahlreichen Katalognummern. Die stammen aus dem „Michel“, der Bibel der Briefmarkenfreunde. Jeder hier hat dieses jährlich erscheinende Kompendium, um zu sehen, was ihm an Vollständigkeit noch mangelt. Martin Paul aus Sacka ist mit 36 Jahren einer der Jüngsten, und schon zwei Jahre dabei. Mit 13 bekam er sein erstes Album von seinem Vater geschenkt. Jetzt könnten es 40 Alben sein, sagt er. Briefmarken sind für ihn ein attraktives Hobby, „weil man viel über die Geschichte erfährt“. Dann sagt er noch einen schönen Satz: „Wenn Briefmarken flüstern, erzählen Belege (Briefumschläge) ganze Geschichten.“ Geschichten über den Absender und Empfänger, über die Zeit, als der Brief verschickt wurde und den Ort des Poststempels.

Aber natürlich schauen alle auch nach Raritäten wie dem berühmten Sachsendreier, der 8000 Euro wert ist. Oder der teuersten deutschen Marke mit einem Abbild der Schauspielerin Audrey Hepburn, Kostenpunkt: 100 000 Euro. So etwas finden die Sammler auf Auktionen oder bei Ebay. Doch wie die Zahl der Sammler zurückgeht, so sinkt auch die Anzahl der Händler.

Immer mal werden den Briefmarkenfreunden Nachlässe angeboten wie dieses dicke Eigenbau-Album mit kyrillischer Schrift und russischen Marken. Einer sagt: „Das ist Altpapier.“ Doch Sven Zunker aus Riesa holt sich doch einige Marken mit geübtem Blick heraus. Vielleicht kann er die wiederum gegen andere Marken tauschen. Allerwelts-Sammlungen gibt es viele. Die richtigen Sammler betreiben ihr Hobby aber kostenintensiv und sehr spezialisiert.