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Die letzten Tage für Francos Mausoleum

Die neue spanische Regierung will den früheren Diktator aus der Basilika im Tal der Gefallenen herausbefördern.

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Von Martin Dahms, Madrid

Francisco Franco hatte ziemlich genaue Vorstellungen, welchen Zweck das Bauwerk haben sollte: „Die Steine, die sich hier erheben, müssen die Großartigkeit der Monumente der Antike haben, sie sollen der Zeit und dem Vergessen widerstehen, damit die künftigen Generationen denen bewundernden Tribut zollen, die ihnen ein besseres Spanien hinterließen: den Helden und Märtyrern des Kreuzzuges.“ So sprach der Diktator, der ein Jahr zuvor den Spanischen Bürgerkrieg (den er seinen Kreuzzug nannte) gewonnen hatte, am 1. April 1940. Neunzehn Jahre später war das Werk getan: eine in den Berg gehauene Basilika, überragt von einem 150 Meter hohen steinernen Kreuz, im Valle de los Caídos – dem Tal der Gefallenen – rund 50 Kilometer nordöstlich von Madrid. Eine Kirche von antiker Monumentalität und zeitgenössischer Scheußlichkeit, und seit Francos Tod 1975 zugleich dessen Mausoleum. „Es gibt nichts Vergleichbares in Europa“, bemerkt der katalanische Politiker Joan Tardá.

Francisco Franco (1892–1975) stand als Diktator bis zu seinem Tod an der Spitze Spaniens.
Francisco Franco (1892–1975) stand als Diktator bis zu seinem Tod an der Spitze Spaniens. © akg-images / Pictures From Histo

Die künftigen Generationen, die sich Franco ausmalte, bewundern dessen Hinterlassenschaft nur noch ausnahmsweise. Vor einem Jahr forderte das spanische Parlament die damalige konservative Rajoy-Regierung auf, die Reste des Diktators endlich aus seinem Grab vor dem Altar der Basilika herauszuschaffen. Das Begehren stieß auf taube Ohren. Was die Erinnerung an die fast 40 Jahre währende Franco-Diktatur anging, wollte Mariano Rajoy alles lassen, wie es war. Als sein sozialistischer Vorgänger José Luis Rodríguez Zapatero im März 2005 das letzte Franco-Denkmal in Madrid demontieren ließ, regte sich Rajoy fürchterlich auf. Er wollte nicht verstehen, wieso es jemandem einfallen könnte, „die Vergangenheit aufzuwühlen“.

Seit gut zwei Wochen regiert in Spanien nun wieder ein Sozialist, Pedro Sánchez, und der möchte nur allzu gern die Vergangenheit aufwühlen. Er will Franco aus seinem Grab herausholen und die Basilika im Tal der Gefallenen zu einer Gedenkstätte über die Franco-Diktatur umwandeln. Und er hat gute Chancen, sein Vorhaben, über das an diesem Montag der Parteivorstand debattierte, auch umzusetzen. Denn fast niemand hat was dagegen. Die Nachfahren Francos nicht, der Erzbischof von Madrid nicht und die meisten Parteien im Parlament auch nicht. Nur Rajoys Volkspartei (PP) ist so bockig wie immer. Die Sozialisten suchten offenbar „Kulturkämpfe“, sagte die 34-jährige Vizegeneralsekretärin der PP, Andrea Levy. Sie will Franco lassen, wo er ist.

Zu denen, die nicht nachvollziehen können, dass Franco noch immer nicht aus seinem Ehrengrab geholt worden ist, gehört Íñigo Errejón. „Das Überraschende ist, dass wir vierzig Jahre gebraucht haben, um es zu tun“, sagte das Vorstandsmitglied der linkspopulistischen Partei Podemos. Das überrascht nicht nur ihn. Spanien ist eine gut funktionierende Demokratie, aber beim Umgang mit der Franco-Vergangenheit harzt es.

Levys Wort vom „Kulturkampf“ beschreibt den Konflikt ganz gut. Spaniens Rechte will nicht einsehen, dass das Land eine öffentliche Erinnerungskultur braucht, und Spaniens Linke hatte lange keine Lust, deswegen öffentlichen Streit anzufangen. Zapatero wagte in seiner Regierungszeit von 2004 bis 2011 erste kleine Schritte. Sánchez will jetzt größere tun: nicht nur Franco seines Mausoleums berauben, sondern auch endlich dessen mehr als 100 000 Mordopfer exhumieren, die noch immer irgendwo in Straßengräben und anderswo verscharrt liegen. Es gibt noch viel zu tun.