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Die letzten Tage der alten Schauburg

Das Kino wird am Sonntag für längere Zeit letztmalig öffnen. Dann wird es saniert und bekommt zwei neue Säle. Dresdner können das Inventar jetzt ersteigern.

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© Christian Juppe

Von Sandro Rahrisch

Alles muss raus: Alte Filmplakate, Soundtracks, sogar die Sessel. Schauburg-Chef Stefan Ostertag räumt auf, bevor Dresdens ältestes noch betriebenes Kino schließt. Schon an diesem Wochenende werden die letzten Gäste aus den Sälen verabschiedet.

In den kommenden fünf Monaten wird die Schauburg ihr Gesicht verändern – innen wie außen.
In den kommenden fünf Monaten wird die Schauburg ihr Gesicht verändern – innen wie außen. © Sven Ellger
Bis zum 90. Geburtstag der Schauburg am 15. Oktober wird das Kino wieder öffnen, so der Plan.
Bis zum 90. Geburtstag der Schauburg am 15. Oktober wird das Kino wieder öffnen, so der Plan. © Archivbild/SZ/Marion Gröning

In den kommenden fünf Monaten wird die Schauburg ihr Gesicht verändern – innen wie außen. Auf den oberen Saal wird ein weiterer mit rund 150 Plätzen draufgesetzt. Angebaut wird auch im Keller. Unterirdisch entsteht ein fünfter Saal mit weniger Stühlen. Dafür muss der Innenhof ausgegraben werden. In beiden neuen Sälen werden die Abstände zwischen den Sitzreihen größer sein als bisher. „Das Kinogeschäft hat sich in den letzten Jahren sehr gewandelt“, sagt Ostertag. Immer mehr Filme würden auf den Markt kommen. Die vielen Anfragen der Filmverleiher habe er aber mit den drei vorhandenen Sälen nicht bedienen können. Mehr kleinere Säle seien deshalb sinnvoll.

Dass sich das Kinogeschäft noch lohnt, zeigen die Zahlen der Filmförderungsanstalt. So zählten die 18 Dresdner Kinos im vergangenen Jahr 1,64 Millionen Gäste. Damit gehört die sächsische Landeshauptstadt zu den deutschen Kino-Hochburgen.

Den drei vorhandenen Sälen „Sergio Leone“, „Fritz Lang“ und „Andrej Tarkowski“ will Ostertag eine Frischekur verpassen. Sie erhalten neue Stühle mit Getränkehaltern, neue Wandbespannungen und jeweils ein eigenes Farbkonzept.

Doch nicht nur im Herzen wird sich Dresdens Kino-Urgestein verändern. Auch das Foyer wird angepackt. Alles soll deutlich größer und heller werden, sagt Architekt Benjamin Grill von „G.N.b.h.“-Architekten aus der Neustadt. Dafür werden zugemauerte Öffnungen freigelegt. Auch der längst geschlossene Eisladen an der Seite zum Bischofsweg kommt weg. Dadurch entsteht mehr Platz im Eingangsbereich. „Ein großes Ärgernis bei den Besuchern waren die Sanitäranlagen“, sagt Stefan Ostertag. Auch diese werden bis Oktober komplett erneuert. „Uns ist bekannt, in welchem Gebäude wir hier sind und welche Aura es hat“, sagt Architekt Hendrik Neumann. Ein Multiplex-Kino-Ambiente werde man mit Sicherheit nicht schaffen.

Welche Farbe die Schauburg in Zukunft tragen wird, steht dagegen noch nicht fest. Das dunkle Rot kam erst beim letzten großen Umbau Anfang der 90er-Jahre auf die Wände. Zuvor glänzte die Fassade durch verwitterten, ungefärbten Putz. „Wir stimmen uns wegen der Farbe in den kommenden Wochen noch mit der Denkmalpflege ab“, so Ostertag.

Bis zum 90. Geburtstag der Schauburg am 15. Oktober wird das Kino wieder öffnen, so der Plan. Bis dahin sollen die alten Säle saniert und die neuen an- beziehungsweise aufgebaut sein. Bis in den beiden neuen Sälen auch Filme über die Leinwände flimmern, wird aber noch etwas Zeit vergehen. Der Innenausbau soll bis zum Jahresende abgeschlossen sein. Der ursprüngliche Plan, das Kino bei laufendem Betrieb zu sanieren, war nicht umsetzbar, sagt Ostertag. Schon wegen eines zweiten Fluchtweges, der nötig gewesen wäre. Dem Ausbau der Königsbrücker Straße werde man aber allemal zuvorkommen.

In das Mammutprojekt will die Nickelodeon Filmtheaterbetrieb Dresden GmbH, dessen Geschäftsführer Ostertag ist, sowie der Immobilieneigentümer „Kieft & Kieft“ einen siebenstelligen Betrag investieren. Wie viel genau, will Ostertag nicht sagen. Allerdings seien es weniger als sechs Millionen Euro, wie die SZ zuvor berichtete. Als Finanzierungspartner habe man die Ostsächsische Sparkasse gewinnen können.

Die Schauburg wurde 1927 eröffnet. Bei den Bombenangriffen auf Dresden blieb das Haus verschont. Vor seiner Wiedereröffnung 1946 beherbergte es kurzzeitig den Zirkus Sarrasani, dessen Spielstätte zerstört worden war. 1953 fand im Kino die Feier zur Gründung der Sportgemeinschaft Dynamo Dresden statt. Zu DDR-Zeiten wurden zahlreiche Defa-Filme uraufgeführt. Nach der Wende versuchte zunächst die Neue Constantin Film GmbH ihr Glück mit der Schauburg, zog sich aber schon nach kurzer Zeit wieder aus Sachsen zurück. 1993 erwarb der Kinobetreiber „Kieft & Kieft“ die Immobilie und vermietete sie noch im selben Jahr weiter an den Nickelodeon Filmtheaterbetrieb, der von den Dresdnern Frank Apel, Dirk Hennings und Sven Weser zwei Jahre zuvor gegründet worden war und bereits das Programmkino Ost, das Filmtheater Reick und das Filmtheater Hauptbahnhof betrieb.

Das Inventar wird am Sonntag ab 15 Uhr in der Schauburg versteigert. Der Eintritt ist frei. Die Kinosessel werden zu einem Spendenbetrag von zehn Euro abgegeben und Anfang nächster Woche überreicht. Interessenten melden sich per Mail. [email protected]