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Die letzte Fahrt

Vor 50 Jahren dampfte letztmals eine Schmalspurbahn von Meißen nach Wilsdruff.

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© Fotos: W. Streller, Sammlung W. Wagner

Von Wolfram Wagner

Wilsdruff. Ältere Meißner und Wilsdruffer werden sich noch daran erinnern. Am Sonnabend, den 21. Mai 1966 verkehrten vom Bahnhof Meißen-Triebischtal die letzten Reisezüge nach Wilsdruff und nach Löthain. Damit ging ein Stück Verkehrsgeschichte zu Ende, in das unsere Altvorderen einst große Hoffnungen gesetzt haben.

Die Lok Nummer 99 713 fährt am 21. Mai 1966 mit dem letzten Reisezug nach Wilsdruff in den Bahnhof Meißen Jaspisstraße ein. Anschließend wurde die Linie eingestellt.
Die Lok Nummer 99 713 fährt am 21. Mai 1966 mit dem letzten Reisezug nach Wilsdruff in den Bahnhof Meißen Jaspisstraße ein. Anschließend wurde die Linie eingestellt.

Ende des 19. Jahrhunderts tauchten die ersten Pläne einer Eisenbahnverbindung von Wilsdruff nach Döbeln auf. Industrie und Landwirtschaft waren besonders am kostengünstigen Transport ihrer Erzeugnisse, wie den massenhaft angebauten Zuckerrüben, interessiert. 1896 existierte sogar der Plan einer elektrisch betriebenen Regelspurbahn von Dresden über Wilsdruff und Miltitz nach Döbeln. Alle Pläne scheiterten, ehe sich der sächsische Staat entschloss, diese Verbindung mit Leben zu erwecken. Das königliche Dekret Nr. 24 vom 8. Dezember 1899 genehmigte den zukünftigen Bahnbau.

Um die Linienführung wurde heftig gestritten. Zunächst war der Anschluss von Meißen und Lommatzsch an die Bahn nicht vorgesehen. Erst am 19. Juni 1904 wurden auf Druck der Städte Meißen und Lommatzsch die Pläne dahingehend geändert, dass beide einen direkten Anschluss an die zu bauende Schmalspurbahn erhalten sollten.

Nach weiterem Streit um die Linienführung konnte 1907 der Bahnbau endgültig beschlossen werden. Im Oktober 1907 begannen in Meißen die Bauarbeiten. Einen beschränkten Güterverkehr nach Taubenheim zur Ziegelei Hofmann führte die Bahn schon seit dem 14. April 1909 durch. Nach fast zweijähriger Bauzeit fuhren am 1. Oktober 1909 die ersten regulären Züge nach Wilsdruff und Löthain vom Bahnhof Triebischtal ab. Witzbolde hatten an der Lok des Zuges eine große Rübe als Symbol für das Haupttransportgut der Bahnen angebracht. Damit war der Spitzname „Rübenbahnen“ geboren. Allgemein bemängelt wurde die Tatsache, dass die Königlich Sächsische Staatseisenbahn keine feierliche Eröffnung vorgenommen hatte. Erst mit Eröffnung des Reststückes von Löthain nach Lommatzsch verkehrte am 30. November 1909 ein Festzug mit anschließenden Feiern in Lommatzscher Gaststätten. Einen Tag später übergab man die Linie dem allgemeinen Verkehr.

Vor allem Güter transportiert

Die beiden Bahnen dienten fortan hauptsächlich dem Güterverkehr. Es wurden vor allem Massengüter wie Zucker- und Futterrüben, Rübenschnitzel, Kartoffeln, Kohlen, Löthainer Ton, Stückgut, Postsachen usw. transportiert. Der Reiseverkehr im Wilsdruffer Land und der Lommatzscher Pflege war dagegen immer bescheiden. Er stellte jedoch für die Bewohner das Tor zur „großen weiten Welt“ dar. Von Mauna konnte man z. B. zu allen Zielen reisen, die über eine Bahnverbindung verfügten.

Im Laufe der Zeit gab es Höhen und Tiefen. Zwei Weltkriege und die Nachkriegskrisen setzten unseren Bahnen erheblich zu. Das Verkehrsaufkommen sank. Anschließend besserten sich die Verhältnisse wieder, ein bescheidener Berufs- und Ausflugsverkehr brachte den Bahnen wieder verstärkt Zulauf.

Leider waren, neben vielen kleineren Unfällen, auch zwei große Unglücke am Garsebacher Viadukt zu verzeichnen. Am 7. Januar 1949 und am 25. Dezember 1962 stürzten jeweils Güterzüge vom Viadukt und fielen in die Tiefe. 1949 verloren dabei vier und 1962 ein Eisenbahner das Leben. Dem später bekannten Meißner Original „Pfillip Max – das wandelnde Kursbuch“, musste infolge des Unfalles 1962 ein Bein amputiert werden.

Der ungenügende Wartungszustand der Strecken – besonders der Brückenbauwerke – , der Verkehrsrückgang im Reiseverkehr und die Gefahrenstelle am Garsebacher Viadukt bewogen die Deutsche Reichsbahn, den Verkehr auf beiden Linien einzustellen. Nach einer Öffentlichkeitskampagne im Jahre 1966 war es dann zum Fahrplanwechsel im Mai so weit. Am Sonnabend, den 21. Mai 1966, fuhr mit dem P 1759 mittags der letzte Zug nach Wilsdruff. Etliche Reisende und die kostümierten Damen des Lohnbüros vom Bahnhof Meißen-Triebischtal begleiteten den Zug auf seiner Abschiedsfahrt. Nur wenige Minuten später verließ mit dem P 1804 auch der letzte Zug nach Lommatzsch die Meißner Bahnhöfe.

Am 22. Mai trat ein, was viele Bahnnutzer nicht wahrhaben wollten, Meißen hatte seinen Bimmelbahnanschluss verloren. Die Verbindung von Löthain nach Lommatzsch diente noch bis zum 28. Oktober 1972 dem Bahnverkehr. An diesen Tag verkehrte auch hier das letzte Zugpaar.

Was von den Bahnen geblieben ist, sind die Erinnerungen. Diese werden von einer Handvoll enthusiastischer Eisenbahnfreunde im Museumsbahnhof Löthain und dem Lokschuppen Wilsdruff gepflegt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Das große Buch der Autoren Wagner/Wunderwald/Jankowski „Die Schmalspurbahn Meißen–Triebischtal–Lommatzsch“ (ca. 300 Seiten mit vielen bisher unveröffentlichten Fotos und Lageplänen) ist noch nicht erhältlich.Vorbestellungen für das Buch werden gern entgegengenommen unter.