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Die letzte Antennengemeinschaft muss aufgeben

Kommwohnen kündigt in Görlitz-Weinhübel nach 28 Jahren den Vertrag. Für 520 Haushalte wird Fernsehen dadurch teurer.

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© nikolaischmidt.de

Von Ingo Kramer

Der kleine Kellerraum in der Weinhübler Julius-Motteler-Straße beeindruckt: Alles zugebaut mit Technik. Und überall Kabel. Dazu ein paar Männer zwischen 66 und 74 Jahren und auf dem Tisch ein Buch, in dem sie fein säuberlich erfassen, wer die Technik wann geprüft hat. „Das ist unsere Kopfstation“, sagt Hans-Jürgen Wagner nicht ohne Stolz. Er ist der Vorsitzende der Antennengemeinschaft Weinhübel Nord – der vermutlich letzten noch existierenden Antennengemeinschaft in Görlitz.

Mit der Kopfstation, der Antennenanlage auf dem Dach des gleichen Hauses und unterirdischen Kabeln versorgt die Gemeinschaft rund 520 Haushalte in der Julius-Motteler-, Erich-Weinert- und Zittauer Straße sowie im Sonnenland mit Fernseh- und Radioempfang. 312 Sender bieten sie an, 230 Fernseh- und 82 Radiosender. „Und das alles in bester Qualität für drei Euro pro Haushalt und Monat“, sagt Joachim Arnold, der stellvertretende Vorsitzende. Möglich sei das Ganze nur, weil er und seine fünf Mitstreiter alles im Ehrenamt erledigen. Und das seit über 28 Jahren. „Am 30. Januar 1989 wurden wir beim Rat der Stadt registriert und genehmigt“, sagt Arnold. Und am 24. Juni 1989 erfolgte der Start mit drei Satellitensendern: RTL, Sat 1 und 3Sat.

Am 31. Dezember geht die Ära der Antennengemeinschaft zu Ende. „Unser Vermieter Kommwohnen hat uns den Vertrag gekündigt“, ärgert sich Wagner. Juristisch sei das alles rechtens. Kommwohnen habe vorab zwei Gespräche mit der Antennengemeinschaft geführt und den Vertrag schon im März gekündigt, obwohl die Frist erst am 30. September erreicht wäre. So bleibt dem Verein genug Zeit, um zu reagieren. Wenigstens das halten die Männer Kommwohnen zugute. Aber ansonsten sind sie alles andere als begeistert. Zum einen wird es für alle Haushalte künftig teurer, zum anderen erhalten sie ab nächstem Jahr nicht mehr alle Sender. Der gerade bei Älteren sehr beliebte Schlagersender „Radio Paloma“ zum Beispiel ist beim neuen Angebot des Großvermieters nicht dabei.

Kommwohnen-Chef Arne Myckert bestätigt, dass es künftig nicht bei drei Euro im Monat bleibt: „Das Grundpaket für den Fernseh-Anschluss kostet 6,82 Euro.“ Dieser Preis werde in den nächsten 15 Jahren nicht erhöht: „Wir haben das mit der Telekom auf 15 Jahre festgeschrieben.“ Der Vertrag mit der Telekom sei auch der Grund für die Kündigung der Antennengemeinschaft: „Wir haben erreicht, dass die Telekom für alle unsere Objekte in ganz Görlitz Glasfaserkabel legt, auch in entfernten Lagen wie der Albrecht-Thaer-Straße.“ Das sei die modernste Art der Datenübertragung. Und genau um diese Moderne geht es. Telefon, Internet, Fernsehen, alles läuft künftig über Glasfaserkabel. Damit seien alle Mieter zukunftsfähig versorgt: „Künftige Entwicklungen sind dann kein Problem.“ Und 6,82 Euro im Monat seien ein sehr guter Preis: „Damit liegen wir deutschlandweit in der Spitzengruppe.“

Im Übrigen sei die Zusammenarbeit mit der Antennengemeinschaft stets gut gewesen. Auch, dass der Verein das Fernsehen in erstklassiger Qualität angeboten hat, zweifelt Myckert nicht an: „Beim Fernsehen geht es aber nicht um den Ist-Zustand, sondern wir treffen eine perspektivische Entscheidung für die Zukunft.“ Und für den Vertrag mit der Telekom sei es nötig gewesen, dass alle Kommwohnen-Objekte einbezogen werden. Auf einzelne Teile hätte sich die Telekom nicht eingelassen.

Darüber, dass der Kommwohnen-Wechsel zur Telekom nicht überall gut ankommt, hatte die SZ schon mehrfach berichtet. Dabei ging es bisher vor allem um Telefon und Internet, wo Kommwohnen vom langjährigen Anbieter Vodafone Kabel Deutschland zur Telekom gewechselt ist, obwohl viele Mieter mit Vodafone sehr zufrieden waren. Nun also auch noch das Fernsehen. Die Männer von der Antennengemeinschaft haben sich mittlerweile mit der Kündigung abgefunden. „Wir können ja nichts dagegen tun“, sagt Wagner. Bis zum 31. März nächsten Jahres müssen sie ihre Kopfstation im Hauskeller beräumen. Was mit all der Technik werden soll, ist noch unklar. Wenn sich kein Abnehmer findet, landet vieles wohl auf dem Schrott. Auf ein Wort