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Die Lehrer-Formel geht nicht auf

Fällt ein Lehrer an der Oberschule Bernstadt aus, geht der Stundenplan nicht mehr auf. Oft ein unlösbares Problem.

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© B. Gärtner

Von Susanne Sodan

Welche Zutaten es braucht, damit es richtig knallt und stinkt, kann man im Chemieunterricht lernen. Die richtige Formel sucht auch Peter Selle, Leiter der Oberschule Bernstadt. Allerdings nicht in Chemie. Er sucht die Formel für einen Stundenplan, der stimmt. Den einen Teil der Zutaten hat er bereits zusammen: gut ausgerüstete Räumlichkeiten. Der zweite Teil , den er benötigt: ausreichend Lehrer. Diese Gleichung war Thema im vergangenen Stadtrat in Bernstadt. Stadträtin Astrid Günther-Schmidt (Bürgerinitiative) wollte wissen: Jetzt, wo die Schule nach sieben Jahren Großsanierung bestens ausgestattet ist – wie sieht es mit dem Personal aus? Denn Unterrichtsausfall und Vertretungsstunden in anderen Fächern sind an der Oberschule immer wieder Thema.

Schulleiter Peter Selle brachte Zahlen mit zur Sitzung: Im Schuljahr 2015/16 hatte die Oberschule einen Unterrichtsausfall von 5,7 Prozent und Vertretungsstunden in einem anderen Fach zu 6,6 Prozent. Damit liegt die Oberschule über dem Schnitt. Im Landkreis Görlitz lag der Unterrichtsausfall bei 4,1 Prozent, Vertretungsstunden in einem anderen Fach bei 4,3 Prozent. Das Problem, erklärt Selle, liegt in dem sogenannten außerplanmäßigen Ausfall. Also Personalschwierigkeiten, die unerwartet auftauchen, zum Beispiel durch Kuren, Streik – und plötzliche Krankheitsfälle. „Das kann man nie ausschließen“, sagt Selle. Dann hat die Schulleitung eine knifflige Sachaufgabe zu lösen: Lehrer X ist ausgefallen. Er gibt das Fach Z in so und so vielen Klassen zu so und so vielen Stunden. Finde einen Lehrer, der ebenfalls Fach Z unterrichten und einspringen kann! Oft eine unlösbare Aufgabe. „Diesen Puffer haben wir einfach nicht“, sagt Peter Selle. „Wir wollen aber nicht, dass die Schüler bei uns nur aufgehoben sind, sie sollen auch Unterricht haben.“ Wenn es nicht anders geht, dann mit Vertretung in einem anderen Fach. Eine Herausforderung für Lehrer und Schüler.

Bernstadt ist nicht die einzige Schule mit erhöhter Ausfallstatistik. Spitzenreiter bei den Oberschulen in der Oberlausitz war im vergangenen Schuljahr die in Cunewalde, mit 12,2 Prozent außerplanmäßigem Ausfall und 2,8 Prozent Vertretungsstunden in einem anderen Fach. Hohe Zahlen auch bei der Oberschule Rauschwalde in Görlitz: 7,9 Prozent außerplanmäßiger Ausfall. Warum manche Schulen eine höhere Ausfallquote haben als andere, lasse sich pauschal nicht sagen, erklärt Angela Ruscher, Sprecherin der Bildungsagentur in Bautzen. „Unterrichtsausfall gegen Null zu fahren, ist nicht möglich“, sagt sie. An den Schulleitern liege es jedenfalls nicht. Gerade gegen Krankheitswellen sei keine Schule gefeit. Beispiel Bernstadt: Vergangene Woche waren sechs Lehrer ausgefallen, bei einer Stammbesetzung von 23 Lehrern. Wäre noch einer mehr krank geworden, hätte die Schule für jede Klasse genau einen Lehrer zur Verfügung gehabt.

Die allgemeine Personalsituation sei das Problem, erklärt auch Angela Ruscher. Die sei im Landkreis Görlitz nicht anders als sachsenweit – angespannt. „Der Arbeitsmarkt ist im Grunde leergefegt. Für Neueinstellungen finden wir zu wenige grundständig ausgebildete Lehrer unter den Bewerbern.“ Im August, zur Einstellungsphase für das neue Schuljahr, wollte die Regionalstelle, zuständig für die Landkreise Bautzen und Görlitz, 163 Vollzeitstellen besetzen. 161 Stellen konnten ausgefüllt werden, zu 65 Prozent mit Seiteneinsteigern. Ganz ähnlich sehen die Zahlen für die Einstellungsphase zum Schulhalbjahr im Februar aus. 113 Stellen sollen in beiden Landkreisen besetzt werden. „Wir haben 52 Bewerbungen von ausgebildeten Lehrern erhalten“, sagt Angela Ruscher. Sie alle hätten bereits ein Angebot bekommen. Außerdem gibt es 117 Bewerbungen von Seiteneinsteigern. „Wir schauen dann, ob der Bewerber eine fachliche Ausbildung hat, mit der er sich weiter im schulpraktischen Bereich qualifizieren kann“, erklärt Angela Ruscher das Vorgehen.

Mit Seiteneinsteigern hat auch die Oberschule Bernstadt dieses Schuljahr die ersten Erfahrungen gesammelt. Derzeit arbeiten zwei Quereinsteiger bei Peter Selle. Eine neue Kollegin unterrichtet Sport, der andere neue Lehrer ist qualifiziert für Bio, Geografie und Musik. „Wir sind ganz unbefangen an die Situation herangegangen“, sagt Peter Selle. „Wichtig ist vor allem, dass sie einen Draht zu den Kindern haben und sie begeistern können.“ Er ist zufrieden mit den beiden. Mit den neuen Lehrern sah die Situation zum Schuljahresstart ganz gut aus, erklärt Selle. Ob die Statistik damit dieses Jahr besser ausfällt? Der Schulleiter ist skeptisch. Zahlen liegen noch nicht vor, Selle hatte aber schon einige Logistik-Aufgaben zu lösen: eine Kur, eine Kündigung, eine OP. Im Moment sitzt er schon wieder an den Listen. Im Januar geben die Schulleiter eine erste Einschätzung ab, wie viele Lehrer sie nächstes Schuljahr brauchen.