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Die Laden-Monotonie auf der Kesselsdorfer

Nun hat ein neues Wohn- und Geschäftshaus eröffnet. Allerdings wieder mit Bäcker, Fleischer & Co.

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© Christian Juppe

Von Sophie Arlet

Wer an der Haltestelle Tharandter Straße aus der Bahn steigt, mag sich wundern. Dort hat wieder einmal ein Bäcker eröffnet. Der Laden in dem neuen Geschäftshaus neben dem Drei-Kaiser-Hof ist mittlerweile der neunte auf einer Strecke von 400 Metern. Auch Fleischer, Apotheken und Drogerieketten gibt es an der Kesselsdorfer in Hülle und Fülle. Während in den 1960er-Jahren Menschen aufgrund der besonderen Läden extra zum Einkaufen auf die Kesselsdorfer kamen, zeigt sich heute zunehmend Monotonie.

Das bereitet lokalen Akteuren Sorgen. Andreas Hirtes vom Gewerbeverein Kesselsdorfer Straße ist enttäuscht, dass sein Verein bei der Planung des neuen Wohn- und Geschäftshauses in der Kesselsdorfer Straße 8 bis 10 nicht mit einbezogen wurde. „Es ist schade, dass man da nicht weitsichtiger gedacht hat.“ Hirtes befürchtet, dass durch das Überangebot andere Läden bald wieder schließen müssen.

Für solche Doppelungen von Geschäften gibt es an der Einkaufsstraße viele Beispiele. So liegen nur knapp 300 Meter zwischen zwei Rewe-Märkten. Zwischen Löbtau-Passage und Wernerstraße hat die Bäckerei Schwerdtner gleich drei Filialen, die Bäckerei Möbius zwei. Im ersten Obergeschoss des neuen Geschäftshauses ist ein Fitnessstudio eingezogen. Es ist das dritte auf einer Strecke von nur 170 Metern.

Für Michael Korch ist die Kesselsdorfer Straße attraktiv. Er hat kürzlich in dem neuen Gebäude eine Fleischerei eröffnet. „Die Lage ist ideal“, sagt der Geschäftsführer und meint damit die Haltestelle, an der täglich 30 000 Leute ein- und aussteigen. In den ersten Wochen sei das Angebot gut angenommen worden. „Wir sind selber überrascht“, so Korch. Nebenan hat eine Filiale des Franchise-Unternehmens Easy-Apotheken eröffnet. Die Holding wirbt mit 50 Prozent Preisnachlass auf rezeptfreie Medikamente. „Wir orientieren uns bei der Standortwahl in erster Linie an der Kundenfrequenz“, sagt Vorstandsvorsitzender Lars Horstmann. Günstige Pillen gehören auch zum Programm des Tablettenshops in der Löbtau-Passage. Die dritte Apotheke befindet sich vis-à-vis im Drei-Kaiser-Hof. Die Worte Beratung, Service und Freundlichkeit über dem Eingang weisen darauf hin, dass dort auf eher traditionelle Werte gesetzt wird.

Nicht nur die Mitglieder vom Gewerbeverein bewerten die Situation kritisch. „Ein Problem sind vor allem die großen Filialen“, sagt Felix Liebig von der Löbtauer Runde. Die Interessengemeinschaft aus Bürgern, lokalen Einrichtungen und Politikern beschäftigt sich mit dem Stadtteilbild.

Lokalkultur lebe davon, dass sie von Menschen aus dem direkten Umfeld gestaltet wird, sagt Liebig. Die Inhaber der Ketten seien aber nicht in Löbtau verwurzelt. Inhabergeführte Läden gebe es an der Kesselsdorfer kaum, klagt der Sprecher.

Die Stadtverwaltung greift nur bedingt in die Geschäftslandschaft ein. Dass Läden und Angebote, die man fast täglich braucht, dicht nebeneinander auftauchen, ist der Grundgedanke des sogenannten Zentrenkonzeptes. „Im 2007 vom Stadtrat beschlossenen Zentrenkonzept besitzt die Stadt eine wichtige planerische Grundlage für die Steuerung der Einzelhandelsentwicklung“, so Baubürgermeister Jörn Marx (CDU). In dem Konzept ist die Kesselsdorfer als Ortsteilzentrum eingestuft. Das heißt, dass dort zentrenrelevante Angebote wie Apotheken oder Lebensmittelgeschäfte besonders willkommen sind. Gemeint sind Läden, die meist zusammen angesteuert werden. Wer Brot kauft, will auch gleich Wurst fürs Abendbrot holen und schnell noch etwas Geld abheben. Nicht zentrenrelevant sind große Gartenmärkte.

Die Stadt schaltet sich nur ein, wenn Läden für die Gegend zu groß sind oder kein zentrenrelevantes Sortiment haben. „Es ist mit den Mitteln des Bauplanungsrechts jedoch nicht möglich, Einfluss auf die Auswahl der Läden generell und der Betreiber zu nehmen“, ergänzt Marx.

Die Löbtauer Runde will die Entwicklung der Kesselsdorfer Straße weiter beobachten. Vor Kurzem haben die Mitglieder eine AG Stadtteilkultur gegründet, die sich auch mit diesem Thema beschäftigen wird.