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Die Kuh im Computer

Junge Führungskräfte aus der Landwirtschaft diskutierten im Alberttreff das Für und Wider der Digitalisierung.

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© Anne Hübschmann

Von Manfred Müller

Großenhain. Es gibt ihn schon – den Traktor, der ohne Fahrer seine Ackerfurchen zieht. Und den Landwirt, der Düngemitteleinsatz auf seinen Feldern anhand von Satellitenbildern bestimmt. Fast kein Agrarbetrieb – ob in der Pflanzen- oder Tierproduktion – kommt heute mehr ohne spezielle Computerprogramme aus. Und ein Bauer, der nicht zugleich ein gewiefter Betriebswirt ist, hat eher schlechte Karten. In Sachsens Landwirtschaft steht derzeit ein Generationswechsel an. Viele Wiedereinrichter aus der Nachwendezeit haben das Rentenalter erreicht, und ihre Kinder übernehmen den Betrieb. Das Rüstzeug dafür holen sie sich zum Beispiel an Fachschule für Landwirtschaft in Großenhain. Hier wird eine zweijährige Ausbildung zum staatlich geprüften Wirtschafter angeboten, die man nach weiteren zwei Jahren mit einem Abschluss als Landwirtschafts-Meister veredeln kann. Die Lehrgänge sind zeitlich an den Arbeitsrhythmus in der Agrar-Branche angepasst – sie laufen von Anfang November bis Ende März. Voraussetzung ist eine abgeschlossene Berufsausbildung plus praktische Erfahrung. Die Fachschule am Großenhainer Remonteplatz ist eine von sechs im Freistaat, und sie bildet neben den Wirtschafter auch Schäfer aus.

Am Donnerstag trafen sich Absolventen aus ganz Sachsen zu einem Forum über die Herausforderungen, die die Digitalisierung in der Landwirtschaft mit sich bringt. Und die bringt vor allem eins: eine ungeheure Datenflut. Sie zwingt den Landwirt, einen großen Teil seiner Zeit am Computer zu verbringen, und das hat nicht nur Vorteile. Zwar sieht er jetzt auf dem Monitor, welche seiner Kühe in der Milchleistung abfällt und deshalb wahrscheinlich krank ist. „Ich weiß dann zwar, dass es der Kuh nicht gut geht, aber nicht warum“, sagt Anna Pabel aus Hähnichen. Deshalb dürfe der Kontakt zu den Tieren nicht verloren gehen. In der Milchproduktion ist die Digitalisierung schon weit vorangeschritten – ein moderner Melkstand wird längst von einer elektronischen Schaltzentrale aus betrieben.

Wie weit ein Landwirt dabei gehen kann, hängt zum einen von der Betriebsgröße und zum anderen vom Agrarbereich ab. Nicht jeder kann sich beispielsweise teure, elektronisch gesteuerte Bodenbearbeitungstechnik oder Datenverarbeitung leisten. Und ein Schäfer braucht vielleicht auch keinen Big Brother, um seine Herde zu überwachen. Aber dass die Digitalisierung – schon wegen der Konkurrenz auf dem Agrarmarkt – fast überall Einzug halten wird, darüber waren sich die meisten der etwa 100 Teilnehmer am Großenhainer Forum einig.

Was den jungen Landwirten aber viel größere Sorgen macht, ist eine Folge der Digitalisierung, die eigentlich gar nichts mit dem Agrarbereich zu tun hat. „Viele Leute haben überhaupt keine Beziehung mehr zur Tierhaltung“, beklagt Kerstin Doppelstein. Sie sei einmal beim Veterinäramt angezeigt worden, weil ihre Schafherde bei Regen im Freien weidete. Die Tiere hätten so traurig geguckt, lautete die Begründung. Viele junge Leute würden Nutztiere und ihre Haltungsbedingungen nur aus dem Fernsehen oder aus sozialen Netzwerken kennen und das habe mit der Realität oft nichts mehr zu tun. Vielleicht sollte man Landwirtschaft ja als Schulfach einführen, so ein Vorschlag – mit entsprechenden Exkursionen in die Agrarbetriebe. Dann blieben den Landwirten sicher etliche aufgeregte und imageschädigende Diskussionen erspart.

Ganz so hoch will Schulleiter Günter Köster die Sache nicht hängen. „Ich fände es spannend, wenn wir Kontakte zwischen unseren Landwirtschaftsschülern und den jungen Leuten an den hiesigen Oberschulen oder am Gymnasium herstellen könnten“, sagt er. „Wir dürfen in einer digitalen Welt nicht das Gefühl für unsere Lebensgrundlagen verlieren.“