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Die Kuchenposse

Wann ist ein Viertel ein Viertel? Ein Bäcker am Rathaus hat darauf eine eigenwillige Antwort.

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© Sebastian Schultz

Von Britta Veltzke

Riesa. Wie viel ist ein Viertel Kuchen? Die Lösung scheint auf der Hand zu liegen – beziehungsweise auf der Tortenplatte: Wer einen runden Kuchen in vier gleich große Stücke teilt, erhält je ein Viertel. Grundschulniveau. Die Erfahrung, dass es manchmal aber doch nicht so simpel ist, machte Zahnärztin Cornelia Jähnel beim Kuchenkauf bei der Bäckerei Lützkendorf. Für sich und die Kolleginnen wollte sie in der nahe gelegenen Filiale am Rathausplatz Gebäck kaufen. „Ich habe ein Viertel bestellt. Was ich bekommen habe, war aber auf jeden Fall weniger als das“, schildert die Zahnärztin. Auch nach zähen Diskussionen mit der Bäckereifachverkäuferin habe sie ihr „echtes Viertel“ nicht bekommen.

Die SZ hat sich daraufhin zum Testkauf begeben. Und? – Es stimmt: Ein Viertel des runden Quarkkuchens mit Rosinen besteht bei der Bäckerei Lützkendorf aus drei Stücken – einen rechten Winkel ergibt das nicht. Ein „echtes Viertel“ würde aus drei und einem halben Stückchen bestehen. Auf Nachfrage erklärt die Verkäuferin, dass sich der ganze Kuchen aus 14 Teilen zusammensetze. Ein halber besteht danach aus sieben Stücken – und ein Viertel? Tja!

Matthias Brade, Riesaer Bäckermeister und stellvertretender Landesobermeister der Bäckerinnung Meißen, hält diese Aufteilung für eher ungewöhnlich. „Runde Kuchen werden meist in zwölf oder in 16 Stücke geteilt – eben so, dass sie unkompliziert durch vier teilbar sind.“ Er kenne keine Bäckerei, die durch 14 teile. „Letztlich ist das aber jedem Bäckermeister selbst überlassen“, erklärt Brade. Für die genaue Regelkunde verweist er an die Akademie des Deutschen Bäckerhandwerks Sachsen in Dresden.

„Richtig“, bestätigt Schulleiter André Bernatzky. „Was die Aufteilung von Kuchen angeht, gibt es keine festen Regeln“. Anders sei das bei Backwaren, die nach Gewicht verkauft werden. „Dafür gibt es eine Verordnung, die besagt, dass die Menge nicht mehr als drei Prozent vom angegebenen Nennwert abweichen darf“, so Bernatzky. Ein Tausendgramm-Brot darf demnach nicht weniger als 970 Gramm wiegen. In Sachen Kuchen, der gemeinhin nach Stückpreis verkauft wird, helfe diese Regelung aber nicht weiter. „Wenn allerdings ein Viertel des Kuchens berechnet wird, der Kunde aber ein halbes Stückchen weniger bekommt, dann ist das Verbrauchertäuschung“, erklärt er.

Darf’s ein wenig mehr sein?

Die Bäckerei Lützkendorf mit Sitz in Hof aber täuscht niemanden: das „falsche Viertel“ – bestehend aus drei Stücken – kostet exakt so viel wie drei einzelne Stücke – und nicht so viel wie ein „echtes Viertel“ kosten würde.

Bäcker-Akademie-Leiter André Bernatzky ist allerdings auch der Meinung: Wenn ein Viertel bestellt werde, solle der Kunde das auch bekommen. „Und wenn die Aufteilung es nicht möglich macht, ein Viertel zu verkaufen, dann sollte die Verkäuferin die Situation vor dem Kauf aufklären.“ Sprich: „Wir bieten leider keine Viertel an. Ich kann Ihnen aber vier Stücke anbieten, das entspricht ein wenig mehr als ein Viertel.“ Also getreu dem Motto vom Fleischer oder von der Käsetheke: Darf’s ein wenig mehr sein? Das würde auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht Sinn ergeben, so André Bernatzky.

Beim zweiten – allerdings anonymen – Testkauf in der Filiale auf der Hauptstraße weist die Verkäuferin nicht darauf hin, dass das Viertel kein „echtes Viertel“ ist. Den Apfelkuchen mit Streuseln schlägt die Dame einfach schnell in Papier ein, reicht das Gebäck über die Ladentheke und kassiert 3,60 Euro – den Wert für drei Stücke Kuchen. Na ja, Hauptsache den Kollegen schmeckt’s.