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Kolbenfresser fahren erstes Rennen

Eine Gruppe junger Leute hat sich ein Stockcar zusammengeschraubt. Der Jüngste ist erst elf.

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© André Braun

Von Jens Hoyer

Döbeln. Der elfjährige Nick Neumann kniet auf einer Blechtafel auf dem Hof bei den „Pisten-Raudis“ und müht sich mit Wasserwaage und Edding, einen genau abgemessenen Strich zu ziehen. Ulf Kretzschmar kommt mit der Schmiege zu Hilfe. „Noch einen Millimeter“, ruft er dem Jungen zu. Endlich sitzt der Anriss. Kretzschmar, ein bulliger Mann mit zwei Holzscheiben in den getunnelten Ohrläppchen, ist seit zwei Jahren Leiter eines ungewöhnlichen Projektes. Dessen Name „An die Räder, fertig, los!“ deutet schon an, um was es geht. Die Gruppe von Jungen und Mädchen schraubt sich ein Rennauto zusammen. Ein Stockcar, um genauer zu sein. Und am Wochenende ist das erste Rennen in Dolsenhain.

„Kolbenfresser“ hat sich das junge Rennteam genannt und dazu ein eigenes Logo entworfen. Das Auto ist ein über 20  Jahre alter Ford Fiesta, 75 PS. Die Kolbenfresser haben von ihm nicht viel übrig gelassen. Im Innenraum herrscht gähnende Leere – ein Überrollbügel und ein Rammschutz ersetzen die Ausstattung. Im Motorraum gibt es nur noch das Triebwerk und eine Batterie. Der Kühler steht dort, wo sich mal der Rücksitz befand. Gleich daneben der Tank, ein solide verschraubter Plastikquader. Die letzten Arbeiten laufen. Tobias Zaspel sitzt im Inneren und arbeitet mit der Flex. Der 20-Jährige wird sich am Wochenende in den engen Schalensitz klemmen und seine erstes Rennen fahren.

Das gesamte Team, 14 junge Leute, darunter zwei Mädchen, geht mit auf Tour nach Dolsenhain – als Mechaniker. Übernachtet wird in der Jugendherberge in Windischleuba. Der Ford Fiesta startet in der sogenannten unverbauten Klasse bis 1500 Kubikzentimeter. Da geht es etwas weniger ruppig zu als bei Stockcar-Rennen, bei denen sich die Fahrer von der Piste schubsen dürfen. Etwa 50 Kilometer muss der Wagen bei fünf Rennen durchhalten, sagt Kretzschmar.

Ronny Bachmann ist der Chef der „Pisten-Raudis“. „Vor zehn Jahren habe ich mit einem Kumpel angefangen“, erzählt er. Seit 2014 ist die Gruppe von Stockcar-Enthusiasten ein eingetragener Verein, der sich auf einem Gelände am Burgstadel eingemietet hat. Unterstützung bekommt der Verein von der Aktion Mensch, wo er sich erfolgreich mit seinem Projekt für Jugendarbeit um eine Förderung bemüht hat. Und dabei geht es nicht nur ums Schrauben, sondern auch um Teamarbeit, Regeln, Disziplin und Respekt.

Die Physiotherapeutin Helena Stibbeova und die Erzieherin Stefanie Schmidt unterstützen die Arbeit auf der sozialen Schiene. Für die schmutzigen Hände ist Ulf Kretzschmar zuständig. Das Team musste erst einmal ein Fahrzeug zur Ersatzteilgewinnung auseinandernehmen und sachgerecht entsorgen, was nicht gebraucht wurde, erzählte Kretzschmar. „Die Jugendlichen machen unter Anleitung alles selbst. Nur die sicherheitsrelevanten Arbeiten führen wir aus“, so der Projektleiter.

Weil es auch ums Fahren geht, wurde ein Fahrschul-Fahrtraining und ein Renntraining angesetzt. Für die Muckis ging die Crew auch auf Rad- und Paddeltouren, zum Box-Training und Bowling. Das erste Rennen am Wochenende soll auch dem Gewinnen von Erfahrungen dienen, sagte Kretzschmar. Ein Ford Ka wartet noch auf seine Vollendung als Stockcar.