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Die Königin des Winters trotzt dem Frost

Das Landschloss Zuschendorf zeigt mehr als eintausend Kamelienblüten. Es geht dabei nicht nur einmal um Legenden.

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© Norbert Millauer

Von Thomas Morgenroth

Pirna. Minna Seidel wird in diesen Tagen in einer Sänfte aus Styropor durch den frostigen Park des Landschlosses Zuschendorf getragen. Ihre Mitreisenden, wie der aus Belgien stammende italienische General Colleti, sind international, aber genauso jung und frisch wie die Dresdner Dame. Sie gehören alle zu einer Familie, die auf den Namen Teestrauchgewächse hört, und sie sind gemeinsam in den Glashäusern der Botanischen Sammlungen aufgewachsen. Nun ziehen sie in das Herrenhaus um und entfalten dort ihre Pracht als weiß, rot und rosa blühende Königinnen des Winters.

Das Landschloss am Stadtrand von Pirna lädt zur Deutschen Kamelienblütenschau ein. Es ist bereits die fünfzehnte, die gemeinsam mit der Mitteldeutschen Kameliengesellschaft ausgerichtet wird. Nur selten freilich war es in diesen ersten Märztagen so lausig kalt wie diesmal. Das ist selbst im Schloss zu spüren, wo die Temperaturen trotz geheizter Kamine nur wenig über null Grad Celsius liegen. „Die Blüten halten das aus“, sagt Sammlungsleiter Matthias Riedel. Für den Transport aber werden die Kamelien in isolierende Boxen verpackt, wie „Frau Minna Seidel“, eine der schönsten Sorten der Sammlung, die der Dresdner Kamelienzüchter Hermann Seidel 1883 nach seiner Frau benannte.

In der Gunst des Publikums jedoch liegt der „General Colleti“, der sogar winterhart sein soll und fünfzig Jahre älter ist, deutlich vor der Frau Seidel. „Es ist eine unserer beliebtesten Blüten“, weiß Riedel. Ob sie auch 2018 zur schönsten Kamelie des Landes gekürt wird, entscheiden die Besucher an diesem Wochenende in Zuschendorf. Das wird nicht einfach: Ab Sonnabend stellen sich mehr als eintausend Kamelienblüten aus ganz Deutschland der Wahl.

In diesem Jahr werden sie unter dem Titel „Märchenhaft schön“ präsentiert. In irdenen und gläsernen Gefäßen zeigen die Blüten ihre besten Seiten, Die Kamelien, aber auch Hortensien und raumhohe Azaleenpyramiden, schmücken zudem drei Inszenierungen des Dresdner Architekten Volker Berthold. Der 82-Jährige, dem Schloss seit dreißig Jahren verbunden, illustriert mit Puppen und Kulissen zwei Legenden, die sich um die Kamelie ranken.

Im Festsaal ist ein Tempel mit mächtigen roten Säulen und einer vier Meter hohen goldenen Buddhastatue der Blickfang. Davor sitzt Buddha selbst. Er ist noch ein Kind, eigentlich ein nacktes Baby, denn er ist gerade erst geboren. So jedenfalls will es die japanische Sage „Das Blumenfest“. Vor ihm stehen zwei Frauen in seidenen und bemalten Gewändern, die Kostümbildnerin Simone Hermsen in Stadt Wehlen extra für die Schau angefertigt hat. Es sind die Geschwister Kamelie und Azalee. Weil „Herr Buddha“ ihnen und allen Blumen erlaubt, fortan jedes Jahr zu blühen, wird seitdem das Blumenfest gefeiert.

Im Märchen der lettischen Schriftstellerin Anna Sakse hingegen steht der Mönch Camellius im Mittelpunkt, den es tatsächlich gegeben hat. Nach ihm benannte der schwedische Botaniker Carl von Linné die Kamelie (Camellia japonica L.) Er würdigte damit die botanischen Forschungen des Georgius Josephus Camel, der 1661 in Brünn geboren wurde. Mit 26 Jahren begann er eine Missionsreise, die ihn nach Manila auf die Philippinen führte. Dort lernte er über den Tee die Kamelie kennen.

In Japan freilich ist Camellius nie gewesen, wohl aber in der Geschichte von Anna Sakse, die in Zuschendorf in zwei Szenen lebendig wird. Im Foyer befreit der Mönch einen wunderschön blühenden Baum von einer Heuschreckenplage. Zum Dank dafür küsst ihn ein Mädchen, sie ist die Seele des Baumes. Mit einem Blumentopf kehrt der sichtlich gealterte Camellius schließlich in die Heimat zurück. Und zeigt im Blauen Salon drei Kindern eine Handvoll Blüten der nach ihm benannten Pflanze.

„In jeder Dichtung steckt ein Körnchen Wahrheit“, sagt Matthias Riedel. Kein Märchen ist, dass die Kamelienblütenschau mit rund 30 000 Besuchern die publikumsstärkste Ausstellung in der Region ist. Die Zahl, sagt Riedel, sei seit Jahren konstant. Der 60-Jährige richtet sich also wieder auf einen Ansturm ein, der ihm im Grunde keine Sorgen bereitet. Angesichts der niedrigen Temperaturen ist ihm allerdings etwas bange, wenn durch die Menschenschlangen die Türen an den Gewächshäusern zu lange offen stehen. Dann müssen die Gärtner aufpassen, dass sich „Frau Minna Seidel“ in ihrer Behausung nicht erkältet.

XV. Deutsche Kamelienblütenschau im Landschloss Zuschendorf, 3. bis 11. März; XV. Sächsische Kamelienblütenschau, 13. März bis 8. April; im gesamten Zeitraum wird in den Glashäusern die Seidelsche Kameliensammlung präsentiert; geöffnet Di.-So. und an Feiertagen 10-17 Uhr.

www.kamelienschloss.de