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Die Königin braucht eine Kur

Die Orgel wurde 1875 gebaut und ist fast noch im Original erhalten. Was Denkmalpfleger freut, ist für die Kantoren ein Risiko. Das soll sich ändern.

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© Arvid Müller

Von Sven Görner

Bärnsdorf. Wenn Kantor Dietmar Schwalbe morgen Nachmittag zur Christvesper die Orgel der Bärnsdorfer Kirche zum Klingen bringt, wird er wieder ganz genau auf jeden Tom hören. Denn obwohl der versierte Kirchenmusiker das Spielen auf der Königin der Instrumente aus dem Effeff beherrscht, kann er sich nicht sicher sein, wie die Orgel klingt. Der Grund: Das fast 150 Jahre alte Instrument muss dringend restauriert werden.

Pfarrer Steffen Brock weiß um die Sorgen von Dietmar Schwalbe und seinen Kantorenkollegen. „Sie spielen nur noch mit großem Zittern, weil sie Angst haben, dass plötzlich irgendwas nicht mehr funktioniert.“ Schließlich weisen fast alle der 18 Register mehr oder weniger große Schäden auf. Spuren von beginnender Schimmelbildung sind im Orgelinneren zu finden. Alle Windladen zeigen deutliche Trocknungsrisse. Darum ist aus Sicht der Experten eine umfassende Überarbeitung der Windladen erforderlich.

Die Spielgeräusche der Mechanik, vor allem auch durch die Klaviaturen verursacht, sind sehr stark. Ein künstlerisches Orgelspiel, vor allem auch mit den sanften Stimmen, verursache daher keinen Hörgenuss mehr. Die spezifischen Feinheiten dieser ausdrucksstarken Register gehen im allgemeinen Klappergeräusch völlig unter. Das Pfeifenwerk befinde sich zudem in einem beklagenswerten Zustand, vor allem die Metallpfeifen.

Die Prospektpfeifen der Bärnsdorfer Orgel hatten im Ersten Weltkrieg das Schicksal der meisten anderen Instrumente geteilt. Sie waren 1917 ausgebaut, abgeliefert und eingeschmolzen worden. Die Ersatzpfeifen waren dann nicht mehr aus Zinn, sondern aus Zink. Bis auf die Prospektpfeifen und die Balganlage ist die 1875 von Gotthilf Brämig aus Werdau gebaute Orgel aber praktisch noch im Original erhalten. Das macht sie zu einem wertvollen Denkmalinstrument. „Da seit dem an der Orgel eigentlich nichts Grundsätzliches mehr gemachte wurde, leidet sie nicht nur unter dem großen technischen Verschleiß und dem Schimmel, sondern ist auch sehr stark verschmutzt und weist teilweise erhebliche Wurmschäden auf“, sagt der Pfarrer.

Seit zwei Jahren wird daher die umfassende Restaurierung vorbereitet. „Diese soll 67 000 Euro kosten. Dazu kommen noch Malerarbeiten und die Holzwurmbekämpfung.“ Unterm Strich werden so rund 75 000 Euro benötigt. Mittlerweile sind rund 10 000 Euro durch Spenden, Benefizkonzerte und andere Aktionen zusammengekommen. „Zudem wird die Restaurierung der Holzpfeifen fast vollständig aus Geldern des PS-Lotterie-Sparens der Sparkasse finanziert“, sagt Steffen Brock. Aus den allgemeinen Rücklagen plant die Kirchgemeinde 35 000 Euro ein und hofft gleichzeitig auf eine Unterstützung durch die Landeskirche in Höhe von 12 000 Euro. „Zugesagt ist dieses Geld aber noch nicht.“

Trotzdem hofft der Pfarrer, dass die Arbeiten an der Orgel im nächsten Jahr beginnen können. Den Bauantrag schickt er noch in diesem Jahr an das Regionalkirchenamt. „Sobald die Genehmigung vorliegt und es in den Zeitplan des Orgelbauers passt, soll es losgehen.“ Die Restaurierung wird die Firma Ekkehart Groß aus Waditz übernehmen. Diese kennt sich mit Brämig-Orgeln aus. Ihre Mitarbeiter haben vor zwei Jahren auch schon die zwölf Jahre ältere in der Steinbacher Kirche wieder zum Klingen gebracht. Die kleine Dorfkirche ist eine von fünf im Kirchspiel Bärnsdorf-Naundorf, für das Pfarrer Steffen Brock zuständig ist.

„Eigentlich war mein Zeil, dass die Orgel noch während meiner Zeit hier restauriert wird“, sagt der 54-Jährige. Doch daraus wird nun nichts mehr. Nach zehn Jahren in Bärnsdorf steht für Steffen Brock wieder ein Wechsel an. Zum 1. Mai nächsten Jahres übernimmt er eine Pfarrstelle in Dresden. Wie es in seinem jetzigen Kirchspiel weitergeht, ist indes noch offen. Denn in den nächsten Jahren stehen große Umstrukturierungen an.