Merken

„Die Kirschessigfliege ist überall“

Der Schädling vermehrt sich extrem. Doch die Winzer sind nicht wehrlos.

Teilen
Folgen
© Symbolbild/dpa

Von Ulrike Keller

Radebeul. Professioneller Erfahrungsaustausch und aufschlussreiche Fachvorträge – dafür steht der jährliche Weinbautag des Weinbauverbands Sachsen. Ein wichtiges Thema der diesjährigen Veranstaltung am Sonnabend auf Schloss Wackerbarth: die bei Winzern gefürchtete Kirschessigfliege.

Alfred Trapp ist Fachmann für Pflanzenschutz beim Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie.
Alfred Trapp ist Fachmann für Pflanzenschutz beim Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie. © Arvid Müller

Alfred Trapp ist Experte für Pflanzenschutz im Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie. Er verfolgt seit vier Jahren an bis zu 14 Standorten im Freistaat, wie sich das aus Asien eingeschleppte Insekt entwickelt. Die SZ sprach mit ihm über neueste Erkenntnisse:

Herr Trapp, wie breitet sich die Kirschessigfliege aktuell aus: Hat sie bevorzugte Gebiete in Sachsen?

Sie ist seit mindestens zwei Jahren überall in Sachsen vertreten. Und die Population ist im vergangenen Jahr weiter gewachsen. Wir haben im Frühjahr zeitiger als sonst Kirschessigfliegen in Fallen gefangen. Die Fangzahlen im Sommer lagen über dem bisher Vorstellbaren. Kurz gesagt: Wir haben sie an all unseren 14 Standorten festgestellt und in allen Kulturen, 2016 erstmals auch in Erdbeeren. Beim Wein, das wissen wir inzwischen, geht sie unter bestimmten Bedingungen auch an weiße Sorten.

Das klingt fatal. Wie dramatisch schätzen Sie das Problem für die Winzer ein?

Die Winzer haben ein geringeres Problem als die Obstbauern. Aus Trauben mit geringem Larvenbefall kann ein Wein ohne Qualitätsminderung hergestellt werden. In der Weinbereitung ist noch vieles möglich. Meine Botschaft für die Winzer ist, dass es möglich ist, die Kirschessigfliege in Schach zu halten. Sie bedroht keinesfalls Existenzen des sächsischen Weinbaus.

Eine überraschende Botschaft. Was veranlasst Sie zu dieser Entwarnung?

Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass die Kirschessigfliege im Weinberg sein kann, ohne Schaden zu machen. Im August haben wir in einem Meißner Weinberg 7 200 Kirschessigfliegen in einer Woche gefangen, aber nur fünf Eier in 50 Beeren gefunden. Und nur ein kleiner Teil – unter zehn Prozent – der abgelegten Eier entwickelt sich in Weinbeeren zur Larve.

Aber einmal befallene Beeren sind für den Winzer verloren?

Nein. Die Kirschessigfliegen lassen sich bei beginnendem Befall mit zugelassenen Insektiziden so bekämpfen, dass die Beeren später verarbeitet werden können.

Sie betonen „zugelassen“. Es heißt, die Panik vor der Kirschessigfliege sei der Grund für den Weinskandal 2016 gewesen. Weil im Obstbau das Insektizid Dimethoat legal eingesetzt wurde, hätten auch einzelne Winzer dazu gegriffen.

Das kann man vermuten. Dimethoat hatte 2015 eine Notfallzulassung in Kirschen, 2016 nicht mehr. Aber die Reaktion ist von starkem Unwissen geprägt, wenn es ein zugelassenes Insektizid gibt, das wirkungsvoller bei der Bekämpfung ist. SpinTor ist das Mittel der Wahl. Es kann eingesetzt werden mit 14 Tagen Wartezeit.

Wie wirkt SpinTor?

Es tötet die erwachsenen Fliegen ab. Dadurch werden die Eiablage und die Entwicklung der Larven verhindert. SpinTor sollte nicht vorbeugend eingesetzt werden, erst nach festgestelltem Anfangsbefall.

Wie erkennen Winzer, dass die Kirschessigfliege Beeren befallen hat?

Man muss den Wein ordentlich überwachen. Die in das Fruchtfleisch gelegten Eier haben Atemschläuche als Anhänge, die wie kleine weiße Fäden aus der Fruchtschale herausragen und mit einer guten Lupe leicht zu sehen sind.

Und was können die Winzer vorbeugend tun gegen das unliebsame Insekt?

Die Kirschessigfliege mag es feucht, schattig und windstill. Wichtig ist deshalb, die Traubenzone zu entlauben, damit die Trauben frei in der Sonne hängen. Und es macht viel aus, das Unkraut niedrig zu halten und in einzelnen Fällen Wirtspflanzen herauszunehmen.

Sie denken vor allem an Brombeerhecken?

Wir wissen seit Kurzem, dass auch Mistelbeeren geeignet sind zur Eiablage und Larvenentwicklung. Das ist die erste Wirtspflanze nach dem Winter, wo sich die Fliege entwickeln kann. Winzer tun also sich und dem Apfelbaum nebenan etwas Gutes, wenn sie dort die Mistel entfernen.

Das Gespräch führte Ulrike Keller.