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Die Kamenzer Batteriezelle lebt

Nicht nur die Daimler AG setzt auf den Standort. Auch die Litarion GmbH ist optimistisch. Trotz zeitweiser Kurzarbeit.

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© Jan Gutzeit /Litarion

Frank Oehl

Kamenz. Totgesagte leben länger. Auf die Litarion GmbH am Batteriestandort Kamenz trifft dieser Bonmot mehr zu, als den Zellkomponenten- Hersteller eigentlich lieb ist: Wer lässt sich schon gerne tot sagen? Cheftechnologe André Mecklenburg: „Die Litarion ist jetzt ein mittelständisches Unternehmen. Das sehen wir positiv.“ Die 166 Mitarbeiter, darunter sieben Auszubildende, hätten jedenfalls allen Grund zum Optimismus. Das werde sich auch auf der Weihnachtsfeier am Freitag zeigen ...

Hatte die jetzt dem kanadischen Mutterunternehmen Electrovaya gehörende Firma nicht erst gerade mit zweimonatiger Kurzarbeit für eine Hiobsbotschaft gesorgt? Finanzchef Florian Jaksch: „Ein Überseeauftrag, mit dem wir fest gerechnet hatten, ist weggebrochen.“ Deshalb nutze man das Werkzeug der Kurzarbeit, um Kosten zu sparen. Und Dr. Mecklenburg ergänzt: „Es wird auch im Dezember und im Januar produziert, wenn auch nicht in vollem Umfang.“ Und dass dies kein leeres Versprechen ist, unterstreicht die Leitung mit einer in der Tat Mut machenden Neuigkeit: Die Batteriezelle made in Kamenz lebt! Im Juni habe man die strategische Entscheidung zur eigenen Zellenproduktion getroffen, und schon seit September liege der Prototyp vor. Allerdings werde die Zelle nicht am Standort Kamenz in Serie hergestellt. „Wir lassen sie im chinesischen Tianjin produzieren“, sagt Dr. Mecklenburg. Das sei aber weniger eine Frage der Stückkosten, sondern viel mehr von Kapazitäten und Tempo. In China ließen sich in viel größerer Geschwindigkeit verlängerte Werkbänke errichten. „Deshalb ist die Zelle dennoch kein Produkt made in China“, sagt Jaksch. „Es handelt sich um ein deutsches Erzeugnis.“

Strategische Entscheidung

Das hat freilich mehrfache Bedeutung, auch eine, die in die Vergangenheit zurückreicht. Immerhin war Kamenz der wichtigste Batteriestandort in Deutschland vor allem deshalb geworden, weil die Evonik hier seit 2008 ihre ganze Chemiekompetenz und mit Daimler zusammen auch viel Geld eingebracht hat. Kernstück – man erinnert sich – war ein neuartiger keramischer Separator, der die Zellkomponenten Anode und Kathode auf einmalig sichere Weise trennt. Zwar ist es zunächst nicht gelungen, die LiTec-Zelle zu weltmarktfähigen Preisen, also in ausreichenden Stückzahlen in Serie zu produzieren, aber das Know-how selbst habe deshalb keinen Schaden genommen. „Es war eine strategische Entscheidung der beiden großen Partner Evonik und Daimler, die Herstellung nicht weiter voranzutreiben. Wir arbeiten jetzt selbstständig am Produkt.“ Die „Litacell“ ist produktionsreif und sie hat ähnliche Ausmaße wie die LiTec-Zelle. „Wir glauben an ihre Zukunft.“

Der kleine Mittelständler mit kanadischer Mutter hat die eigene Zelle entwickelt, um dem Veredlungsprozess mehr Schwung zu geben. Hochmodern (siehe obiges Foto) werden in Kamenz die Zellbestandteile hergestellt, die vor allem auch für Drittfirmen nutzbar sind. Die eigene „Litacell“ schaffe aber nicht nur eigenes Absatzpotenzial, die sei auch für die eigene Forschung und Entwicklung eine wichtige Herausforderung. „Am Produkt wie am Prozess sind unsere 25 Wissenschaftlicher und Ingenieure fortwährend weiter beschäftigt“, so Dr. Mecklenburg. Die Energiewende sei ein Wachstumsfaktor, dessen Grenzen noch lange nicht ausgelotet sind.

Höhere Lebensdauer

Wofür eignet sich die „Litacell“? Auch für die E-Mobilität? Im Grunde ja. Mit einer Kapazität von 40 Amperestunden sind aber auch Gabelstapler oder auch Flussfähren, die auf Elektromotorbasis arbeiten müssen, typische Anwendungsgebiete. Wie auch die großen stationären Energiespeicher, die ein entscheidender Wachstumsmarkt der Zukunft sind. Die Elektrovaya nimmt für sich in Anspruch, den Produktionsprozess besonders umweltfreundlich zu gestalten – zum Beispiel durch den Wegfall eines giftigen Lösungsmittels. Auf der anderen Seite habe man dank des Keramikseparators ein besonders sicheres Produkt. Dies habe sich auch beim E-Smart gezeigt. Dr. Mecklenburg: „Tausende Stromer der ersten Generation waren mit LiTec-Zellen bestückt. Es hat unseres Wissens keinen einzigen Vorfall gegeben, der auf eine defekte Zelle zurückzuführen gewesen wäre.“ Und außerdem überzeuge das Produkt made in Kamenz auch mit höherer Lebensdauer. „Unsere Zellen schaffen bis zu 9000 Ladezyklen. Das ist weit mehr, als die asiatische Konkurrenz zu bieten hat.“

Das legt die Frage nahe, warum sich Daimler mit Accumotive dennoch auf koreanische Zellen stützt? Offenbar können die Koreaner derzeit Preise bieten wie kein anderer. Dem größten Batteriestandort in Deutschland mit seiner neuen partnerschaftlichen Konkurrenz kann dies egal sein. Das Gewerbegebiet Ochsenberg verträgt eine starke, aus allen Nähten platzende Accumotive ebenso, wie eines kleines, aber feines, mittelständisches Knowhow-Center. Davon jedenfalls ist die Litarion-Leitung vor Ort überzeugt. Unabhängig vom Arbeitsmarkt-Instrument „Kurzarbeit“.