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Die junge Frau und die alte Tante SPD

Seit der Wende verliert die Partei stetig Mitglieder. Der Nachwuchs fehlt. In Niesky ist jüngst eine Gymnasiastin eingetreten.

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© Jens Trenkler

Von Alexander Kempf

Niesky. Kontraste schärfen den Blick. Und wer wie Alexandra Meißner zwischen zwei Ländern aufwächst, der hat ein Auge für Unterschiede. Sie ist noch keine sechs Jahre alt, da ziehen ihre Eltern mit ihr vom Ural an die Neiße. Rothenburg wird ihr neues Zuhause. Doch die alte Heimat hat sie nie ganz losgelassen. Um Russland nicht aus dem Blick zu verlieren, verfolgt sie schon in jungen Jahren politische Sendungen. Alexandra Meißner interessiert sich für Themen, bei denen Gleichaltrige schnell abwinken.

Nun ist die Nieskyer Gymnasiastin sogar in die SPD eingetreten und stolz darauf. „Eine Partei ist schön, weil man sich dort austauschen und viel diskutieren kann“, sagt sie. Dass sich die 17-Jährige für die SPD entschieden hat, ist vor allen Dingen den Parteivertretern vor Ort geschuldet. Das Bundestagsmitglied Thomas Jurk findet sie sehr sympathisch, den Nieskyer Stadtrat Harald Prause-Kosubek sehr engagiert für die Jugend in Niesky. Nachdem sie an einem Planspiel im Berliner Bundestag teilgenommen hat, entscheidet sich Alexandra Meißner in die SPD einzutreten.

Junge Parteimitglieder sind für viele Volksparteien längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Zudem verlieren CDU wie SPD seit Jahren stetig Mitglieder. Bis heute nehmen viele Menschen den Sozialdemokraten ihre Agenda 2010 übel. Als die Reform des Sozialsystems erfolgt, da lebt Alexandra Meißner noch in Russland. Sie will denn auch nicht nach hinten, sondern nach vorne schauen. „Für mich ist nicht wichtig, was davor war, sondern was man machen kann“, sagt die Gymnasiastin aus Niesky.

Eine Sache treibt sie dabei besonders an. Alexandra Meißner vermisst in sächsischen Schulen politische Bildung. „Es fehlt die Früherziehung zu Politik“, sagt sie. Dabei sei die sehr wichtig, damit Meinungen der Eltern nicht einfach übernommen werden. Sie wünscht sich, dass auch junge Menschen Dinge hinterfragen und sich eine eigene Meinung bilden. Dann würde vielleicht auch konstruktiver diskutiert. „Es wird mehr gemeckert, als sich Gedanken zu machen“, stellt die Schülerin fest. Auch in ihrem Umfeld.

Als jemand, der in jungen Jahren selbst in ein anderes Land gekommen ist, beobachtet Alexandra Meißner manche Entwicklung in Sachsen mit Sorge. Etwa wie sich Menschen im Zuge der Flüchtlingspolitik radikalisiert haben. Sie selbst kennt Menschen, die in Bautzen Asylbewerber provoziert haben. „Wenige beschäftigen sich leider mit den Hintergründen“, sagt die Gymnasiastin. Umso wichtiger sei mehr politische Bildung schon in frühen Jahren. Mit ihren Eltern spricht sie oft über Politik, mit Mitschülern seltener.

„Ich versuche aber auch in meiner Klasse Leute anzustupsen“, sagt Alexandra Meißner. Leicht ist das nicht. Das hat auch die vom sozialdemokratischen Herbert-Wehner-Bildungswerk organisierte Jugendkonferenz in Niesky jüngst gezeigt. Gerade mal fünf Jugendliche haben daran teilgenommen. Dabei sieht Alexandra Meißner in der Stadt durchaus Verbesserungsbedarf. „Niesky ist eine Rentnerstadt. Es ist sehr wenig los“, lautet ihre Analyse. Zwar gebe es ein reges Vereinsleben. Aber andere Angebote fehlen. Vielleicht ließe sich der Jugendklub durch den Umzug in ein anderes Gebäude beleben, regt Alexandra Meißner an. Sie will gerne Dinge bewegen und ist auch bereit Verantwortung zu übernehmen. In Niesky oder in ihrer neuen Partei.

Die Nieskyerin hat sogar schon darüber nachgedacht, Politik zu studieren. Sie wird sich aber wohl doch für Medizin oder Sprachwissenschaften entscheiden, erzählt sie. Wegen der besseren Berufsaussichten. Für Politik interessiert sie sich auch so.