Merken

Die Jagd nach illegalen Millionen

In Ostsachsen decken 40 Steuerfahnder gut 14 Millionen Euro auf. Das Klischee von den dicken Fischen stimmt.

Teilen
Folgen
© dpa

Von Franz Werfel

Freital. Dem Job haftet etwas Geheimnisvolles an, ein bisschen Krimi, ein bisschen Thriller, ein bisschen vom ganz großen Geld. Doch die meiste Zeit sitzen Steuerfahnder in ganz normalen Büros und gucken auf Computerbildschirme. Was für die meisten Bürger jedoch nicht normal ist, ist ihre Mission: Geld für die Allgemeinheit wieder aufzutreiben, das andere Bürger dem Fiskus vorenthalten wollen.

Dass es sich für die Finanzämter in jedem Jahr lohnt, mehrere Dutzend Mitarbeiter bei der Steuerfahndung zu beschäftigen, zeigt ein Blick auf die Zahlen. Drei Steuerfahndungsstellen gibt es in Sachsen: in Leipzig, Chemnitz und Dresden. Die gut 40 Steuerfahnder im Finanzamt Dresden-Nord sind dabei für die Finanzämter der Landeshauptstadt sowie die der vier Landkreise Meißen, Bautzen, Görlitz und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge zuständig.

Die Teams setzen sich nach Art der Delikte zusammen und nicht nach Regionen. Deshalb kann Beate Gropp, die Leiterin des Finanzamtes Dresden-Nord, keine genauen Daten allein für einen Landkreis präsentieren. Aber sie weiß, wie viel Geld ihre Leute für den Fiskus zurückholen konnten. „Im Jahr 2015 haben wir mehr als 470 Fahndungsprüfungen durchgeführt“, sagt sie. „Dabei haben die Fahnder einen Steuerschaden von fast 14,3 Millionen Euro aufgedeckt.“ Wie viel Geld dem Fiskus allein in Ostsachsen durch Steuerhinterziehungen durch die Lappen geht, können die Steuerfahnder nicht einschätzen. Es ist aber von einer hohen Dunkelziffer auszugehen.

Es droht bis fünf Jahre Gefängnis

Wie alle Strafverfolgungsbehörden in Deutschland sind auch Steuerfahnder dem Legalitätsprinzip verpflichtet. Das bedeutet, dass sie jeder verfolgbaren Steuerstraftat nachgehen – unabhängig davon, wie hoch die möglicherweise hinterzogenen Beträge sind. Deutsche Steuerfahnder haben dabei eine Doppelfunktion. Einerseits sollen sie für die Finanzämter hinterzogene Steuern wieder eintreiben, andererseits sind sie – wie auch die Polizei – eine Hilfe für die Staatsanwaltschaft. Doch ihre Befugnisse enden in jedem Fall an der deutschen Grenze. Zwar dürfen sich deutsche Fahnder mit ausländischen Kollegen abstimmen oder beraten. Im Ausland selbst ermitteln dürfen sie aber nicht.

„Erfahrungsgemäß beinhalten rund 20 Prozent der Fälle circa 80 Prozent des aufgedeckten Steuerschadens“, sagt Beate Gropp. Hochgerechnet auf das Jahr 2015 heißt das: Allein knapp 100 Fälle haben den Fiskus um rund 11,5 Millionen Euro gebracht. Es sind also immer noch die eher dicken Fische, die den Staat gehörig prellen. Jedoch entsteht ihm auch durch vermeintliche Bagatelldelikte ein jährlicher Schaden in Millionenhöhe. In Ostsachsen haben diese fast drei Millionen Euro ausgemacht. Besonders oft wird dem Dresdner Finanzamt zufolge bei der Umsatz- und der Einkommenssteuer getrickst. Steuerhinterziehung kann mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden.

„Die Möglichkeiten eines Arbeitnehmers, Steuern zu hinterziehen, sind relativ begrenzt“, sagt Beate Gropp. Denn die Lohnsteuer wird vom Arbeitgeber direkt einbehalten und an das Finanzamt überwiesen. „Dennoch versucht mancher, durch falsche Angaben bei der Steuerklärung eine unberechtigte Erstattung der Lohnsteuer zu erwirken“, so Gropp. Zu den kleinen Tricks gehört es etwa, Kosten für angebliche Arbeitsmittel wie Fachbücher oder Arbeitskleidung anzugeben oder Reisekosten zu hoch anzusetzen. „Falsche Angaben bei der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte kommen auch noch vor. Diese können wir mittlerweile aber, etwa mit elektronischen Routenplanern, schnell entdecken.“

Die Digitalisierung fügt dem Anforderungsprofil eines Steuerfahnders neue Aspekte hinzu. So steigt die Steuerkriminalität, wie auch andere Delikte, im Internet stetig. In Dresden werden jährlich etwa 100 Internetdelikte angezeigt, Tendenz steigend. In der Fahndungsstelle arbeiten mehrere IT-Fachprüfer. Sie sind aber auch dafür zuständig, elektronische Daten bei analoger Steuerkriminalität aufzubereiten und auszuwerten. „Was früher in Geschäftsbriefen vereinbart wurde, findet sich heute in E-Mails und Chats“, sagt Beate Gropp. Es sei in Einzelfällen schon vorgekommen, dass Datenmengen von mehr als zehn Terabyte sichergestellt wurden.

Fragt man die Finanzbeamten nach spektakulären Fällen in der Region, so sagt Beate Gropp, dass diese wirklich selten seien. Doch an eine Geschichte erinnert sie sich gut: „Unsere Fahnder durchsuchten eine Wohnung im Obergeschoss. Dabei entdeckten sie ein Behältnis, das unter einem Fenster an der Regenrinne angebracht war.“ Als die Fahnder den Behälter öffneten, fanden sie darin 50 000 D-Mark. „Der Beschuldigte konnte nicht plausibel erklären, woher dieses Geld kam“, so Gropp. „Es stammte aber offensichtlich aus der Steuerhinterziehung und wurde durch den anwesenden Vollziehungsbeamten eingezogen.“

Geldwäsche aufzudecken gehört übrigens nicht in erster Linie zu den Aufgaben der Steuerfahndung. „Dafür ist das Landeskriminalamt zuständig. Wir werden dabei nur einbezogen, sofern auch steuerstrafrechtliche Tatbestände eine Rolle spielen“, sagt Beate Gropp. Ein Blick in die Polizeistatistik von 2015 verrät zwar keine Summen. Doch sie zeigt, dass im Jahr 2015 sachsenweit in 138 Fällen wegen Geldwäsche ermittelt wurde, nur drei Fälle konnten die Polizeibeamten nicht aufklären. Zwei Drittel aller Tatverdächtigen waren Männer.