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Die Insolvenz der Waggonbauer in Niesky wirft neue Fragen auf

Das Werksgelände wurde verkauft, sämtliches Vermögen ist verpfändet.

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© Wolfgang Wittchen

Von Ulrich Wolf

Die Insolvenzursachen bei der WBN Waggonbau Niesky GmbH werden immer mysteriöser.

Noch im April 2017 war der damalige Geschäftsführer Thomas Steiner überzeugt: „Die Entwicklung wird sich aus heutiger Sicht für 2018 weiterhin besonders positiv fortsetzen.“ Es sei ein Umsatz von zirka 100 Millionen Euro „und ein weiterer deutlicher Anstieg des Jahresüberschusses“ geplant. Das geht aus dem Ende Februar veröffentlichten Geschäftsbericht des Unternehmens für das Jahr 2016 hervor.

Entgegen den Erwartungen Steiners musste sein Nachfolger Eduard Janßen jedoch Ende 2017 wegen drohender Zahlungsunfähigkeit Insolvenz beantragen. Das zuständige Amtsgericht Dresden hat das Verfahren am 1. März eröffnet.

Dem Jahresabschluss 2016 zufolge erwirtschafteten die Waggonbauer ein Ergebnis vor Abschreibungen und Steuern von 2,04 Millionen Euro. Das entspreche einem Plus von 14,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, heißt es in dem Bericht. Inklusive diverser Optionen habe man einen Auftragsbestand von 274 Millionen Euro in den Büchern. Dies gelte vor allem für Schüttgutwagen, Autotransportwagen und Spezialgüterwagen. „Die Optionen werden in der Regel mit hoher Wahrscheinlichkeit gezogen“, schreibt Steiner.

Gleichwohl hebt der im Oktober 2017 abberufene Firmenchef hervor, dass im „sonstigen betrieblichen Aufwand“ außergewöhnliche Belastungen aus „Management-Fee-Zahlungen in Höhe von 994 000 Euro enthalten sind“. Dabei handle es sich um das vereinbarte Entgelt für im Jahresabschluss nicht näher bezeichnete „Dienstleistungen“ von verbundenen Unternehmen des Konzerns. Die Management-Gebühr floss dem Bericht zufolge „an den Gesellschafter“. Gemeint ist damit wohl die WBN Zwischenholding GmbH der in München ansässigen Quantum-Gruppe.

Nicht gezahlter Kaufpreis?

Insolvenzverwalter Jürgen Wallner sagte mit Blick auf gesetzliche Vorschriften, er dürfe nicht kundtun, für welche Art von Dienstleistung der Gesellschafter rund eine Million Euro bekommen habe. Sein Stab überprüfe jedenfalls die jährlich gezahlten Management-Fees „rechtlich und mit höchster Sorgfalt“. Auch die Gewinnausschüttungen der Waggonbauer an Gesellschafter würden unter die Lupe genommen, sagte Wallner. Ausschüttungen in Millionenhöhe vor einer Insolvenz, das entspräche schon „einer Sonderlage“.

Der Geschäftsbericht macht zudem deutlich, dass die Waggonbauer im Dezember 2016 ihr Grundstück und die Werksgebäude für 2,3 Millionen Euro an den Gesellschafter verkauften. Die Summe hätte bis Ende 2017 gezahlt werden müssen.

Zum Grund des Verkaufs macht Ex-Chef-Steiner in dem Bericht keine Angaben. Unklar ist zudem, ob der Gesellschafter seiner Zahlungsverpflichtung zum Jahresende 2017 nachkam. Der Insolvenzantrag der Waggonbauer ging jedenfalls erst drei Tage vor Silvester beim Amtsgericht Dresden ein.

Weitere Fragen wirft zudem die Tatsache auf, dass der Gesellschafter ein Darlehen von neun Millionen Euro von der HSH Nordbank aufnahm, für das aber allein die Waggonbauer die Sicherheiten stellen mussten. Sie mussten dazu sämtliche Forderungen an ihre Kunden, ihre Anlagen und Warenbestände, ihre Patentrechte und Bankkonten verpfänden. Auch Zinszahlungen und Tilgung oblag den Waggonbauern.

„Der anfallende Kapitaldienst für das aufgenommenen Darlehen kann nur aus Gewinnausschüttungen der WBN erbracht werden“, heißt es dazu im Jahresabschluss 2016.

In der ersten Märzwoche hatte Verwalter Wallner mitgeteilt, mit dem Düngemittelproduzenten Kali & Salz AG einen bedeutenden Neukunden gewonnen zu haben. Der Konzern mit Sitz in Kassel investiere einen „niedrigen zweistelligen Millionenbetrag“ in die Produktion von 160 Waggons. Diese müssten bis September 2018 geliefert werden. „Dieser und weitere neue Aufträge sichern die rund 300 Waggonbau-Arbeitsplätze für die kommenden Monate“, betonte Wallner.

Bislang gebe es 45 strategische sowie Finanzinvestoren aus Europa und Übersee, die an einer Übernahme der WBN Waggonbau Niesky interessiert seien.