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Die hohe Kunst des Stollenbackens

Den Osterzgebirglern schmeckt das Traditionsgebäck aus Pretzschendorf. Was die Spezialität der Sauers ausmacht.

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© Frank Baldauf

Von Anja Ehrhartsmann

Pretzschendorf. Die Adventszeit rückt näher, und viele wollen sich die Tage bis Weihnachten mit einem guten Stollen versüßen. Das macht sich auch in der Bäckerei Sauer in Pretzschendorf bemerkbar, die gerade Hochsaison hat. Fünf verschiedene Stollen-Sorten finden sich in der Auslage des Familienbetriebs. Allen voran der traditionelle Butter-Rosinen-Stollen, der als „Erzgebirgischer Butterstollen“ verkauft wird. In der Backstube herrscht geschäftiges Treiben. Bäckermeister Chris Sauer und seine Mitarbeiter stecken mitten in der Stollen-Produktion. Ausgerollt liegen die Teigstücke auf der Arbeitsfläche. Mit geübten Handgriffen wird die saftige und zähe Mohnmasse gleichmäßig darauf verstrichen. Dann wird der Stollen gerollt und in die Kastenformen gepackt. Anschließend nimmt der Bäckermeister einen Teigroller mit Spitzen zur Hand und sticht damit kleine Löcher in den Stollen. So wird verhindert, dass der Hefeteig Blasen bildet. Nach und nach schiebt er um die 100 Mohnstollen in den Etagenofen, der mehr als 200 Grad hat. Bei welcher Temperatur der Stollen gebacken werden muss, hängt vom Ofen ab. „Das muss jeder Bäcker selbst rausfinden.“ Nachdem alles drin ist, drückt Chris Sauer einen Knopf am Backofen: „Ich gebe ein kleines bisschen heißen Dampf darauf. Der setzt sich auf dem kalten Gebäck ab und hält die äußere Kruste elastisch.“ So wird verhindert, dass der Stollen während des Backens aufreißt.

Kerstin Sauer hat den Bestand im Blick. Am häufigsten wird der „Erzgebirgische Butterstollen“ verkauft. Wer keine Rosinen mag, kann sich zwischen Mandel- und Schokostollen entscheiden.
Kerstin Sauer hat den Bestand im Blick. Am häufigsten wird der „Erzgebirgische Butterstollen“ verkauft. Wer keine Rosinen mag, kann sich zwischen Mandel- und Schokostollen entscheiden. © Frank Baldauf

Chris Sauer führt das Familienunternehmen in vierter Generation. Das Stollen-Rezept hat sich in der Zeit kaum verändert. „Wir haben es schon einmal mit Cranberrys statt Rosinen versucht, aber die Kunden wollen da keine Experimente.“ Vielmehr werde geschätzt, das Altbekannte in bewährter Qualität herzustellen. „Ein guter Stollen ist saftig und hat einen runden Geschmack. Es ist nicht gut, wenn man eine bestimmte Zutat herausschmeckt.“ Trotzdem ist Stollen nicht gleich Stollen. Mit derselben Rezeptur kommen unterschiedliche Ergebnisse raus. Denn auch die Verarbeitung spielt eine große Rolle. „Das hat sich bei uns über Jahrzehnte herauskristallisiert.“ Wenn zum Beispiel die Zutaten nicht richtig temperiert sind, wird der Stollen entweder zu fest oder bäckt nicht ordentlich aus. In vielen Betrieben ist es deshalb so, dass nur der Meister die Stollen in den Ofen schiebt und den Backvorgang überwacht. „Man hat ja eine große Verantwortung. Wenn etwas schiefgeht, sind 1 000 Euro dahin.“ Obwohl er selbst jahrelange Erfahrung im Stollenbacken hat, passiere auch ihm noch ab und an ein kleiner handwerklicher Fehler.

Doch bei den Kunden fällt das nicht auf, und letztlich zählt der Geschmack. Vor allem der „Erzgebirgische Butterstollen“ ist begehrt, sagt Kerstin Sauer. Und zwar nicht nur im Laden, sondern auch im Versand. Denn der Stollen aus Pretzschendorf wird deutschlandweit verschickt, mit steigender Nachfrage. 2016 wurden insgesamt etwa 600 Stück bestellt, dieses Jahr werden es schätzungsweise mehr als 1 000, sagt Kerstin Sauer. „Wir haben viele Neukunden. Das liegt daran, dass wir acht Wochen vor Weihnachten jedes Wochenende auf Weichnachts- und Wintermärkten in ganz Deutschland unterwegs sind und die Leute dann gezielt nachbestellen.“ Daraus werden oft Stammkunden, denn wer seinen Stollenbäcker gefunden hat, bleibt dem meist treu, so die Fachfrau.

Der Versand schade dem Gebäck aus dem Erzgebirge nicht, im Gegenteil. „Es ist gut, wenn der Stollen noch ziehen kann, erst dann entfaltet er sein Aroma.“ Damit er nach dem Anschneiden nicht austrocknet, hat Kerstin Sauer noch einen Tipp: Den Stollen wieder zurück in die Verpackung legen und ihn dort lagern, wo es dunkel und kalt ist. Doch auch hier habe jeder sein eigenes Rezept, wie eben beim Stollen selbst auch.